Alejandro Canches 01 - Die siebte Geissel
wäre den Interessen der Kirche nicht dienlich.«
Alejandro sah sich unter den Umsitzenden um; alle folgten mit gespannter Aufmerksamkeit den Ausführungen de Chauliacs, der seine dramatische Rede fortsetzte.
»Während dieser grauenhaften Seuche wache ich persönlich über die Gesundheit und das Wohlbefinden Seiner Heiligkeit; meine Methoden sind unorthodox, und meinem Herrn gefällt seine Gefangenschaft zwar nicht, aber gegen die Ergebnisse ist wohl kaum etwas einzuwenden.
Unser geliebter Papst hat angeordnet, daß wir uns aktiv am Schutz der Königsfamilien Europas beteiligen. Er hat Euch in Anerkennung Eurer medizinischen Leistungen und Eurer großen Gelehrsamkeit heute hierher gerufen, damit Ihr an einem Heiligen Krieg gegen die Pestilenz teilnehmt. Ihr alle werdet nun unter meiner persönlichen Aufsicht in den Methoden unterwiesen, mit denen die Gesundheit unseres Heiligen Vaters beschützt wird, danach werdet Ihr alle als Botschafter an die Königshöfe Europas und Englands gesandt. Eure Aufgabe wird sein, über die Gesundheit dieser Familien zu wachen, um sie vor der Krankheit zu bewahren. Wir werden nicht zulassen, daß die Seuche Bündnisse zerstört, die viele Jahre lang Bestand hatten, und wir werden auch nicht zulassen, daß sie für die Zukunft geplante Bündnisse verhindert.«
Es war eine meisterhafte Vorstellung, und Ale- jandro war davon ebenso ergriffen wie alle anderen Männer im Raum.
»Wenn ich Euch entlasse, werdet Ihr sofort in Eure chirurgischen Praxen zurückkehren, um Eure Gerätschaften zu holen, denn Ihr werdet abreisen, sobald Eure Unterweisung beendet ist. Wenn irgend jemand von den Anwesenden eine Familie zu erhalten hat, so wird Seine Heiligkeit in Eurer Abwesenheit für ihre Bedürfnisse sorgen. Ich werde jetzt Eure Namen feststellen, und unser Schreiber wird sie dem Heiligen Vater bringen.«
Alejandro Canches war sich darüber klar, daß sein wirklicher Name ihn womöglich sofort als Mörder des Bischofs Johann von Aragon verraten würde. Er hatte keine andere Wahl, als ihn aufzugeben. Traurig dachte er, daß er ihn vermissen würde; er hatte ihm, solange er lebte, gute Dienste geleistet, und er war stolz, als Avram Chances’ Sohn bekannt zu sein.
Als er an die Reihe kam, sah er de Chauliac ins Gesicht, konzentrierte den Blick auf die durchdringenden blauen Augen des Mannes und sagte ruhig: »Hernandez. Ich bin Alejandro Hernandez.«
»Spanier?« fragte de Chauliac.
»Oui, Monsieur, ich bin Spanier.«
Alejandro und seine erstaunten Kollegen wurden während der drei Tage ihrer intensiven Ausbildung unter de Chauliacs wachsamem Auge prachtvoll im Papstpalast beherbergt. Jeder hatte seinen eigenen Raum mit einer privaten Toilette. Sie wurden gut ernährt und in jeder Weise verwöhnt, denn der Papst wollte ihre totale Loyalität gewinnen. De Chauliac hielt die Männer ganz unter seinem Einfluß und seiner Vormundschaft und unterrichtete sie in allen Einzelheiten über seine Maßnahmen, den Papst vor Ansteckung zu schützen; dabei beobachtete er genau, ob sie die angeborenen Qualitäten besaßen, die nötig waren, um die Aufgabe zu erfüllen, für die sie ausgebildet wurden, denn diese Qualitäten konnte man nicht erlernen.
Jeden Tag besuchten die angehenden medizinischen Gesandten Vorlesungen in einem der prächtigen Säle des Papstpalastes.
De Chauliac pflegte auf einem Podium zu stehen und stundenlang mit professoraler Stimme Vorträge zu halten. Alejandro staunte, daß er nie müde zu werden schien. Er liebt seine Arbeit genauso wie ich, dachte der Schüler über den Lehrer.
»Ihr müßt Euch mit Astrologen beraten«, sagte er am ersten Tag der Unterweisung, »um die günstigsten Tage für Bäder, Ausgänge und die sonstigen normalen Verrichtungen des Alltagslebens zu erfahren. Normale Aktivitäten, denen Eure Patienten früher ganz beiläufig nachgingen, müssen jetzt mit Argwohn betrachtet werden, denn wir wissen einfach nicht, welche Aktivitäten das Potential haben, das Individuum mit der Seuche in Berührung zu bringen. Ihr werdet feststellen, daß Eure königlichen Patienten, die daran gewöhnt sind, jede ihrer Launen zu befriedigen, sich Euren Anweisungen, wann und wo sie gewisse Dinge tun dürfen, widersetzen werden. Bleibt unbeugsam und laßt keine Herausforderung Eurer Autorität zu.«
Alejandro versuchte sich vorzustellen, wie er einem König sagte, was er zu tun hatte und wann, konnte dieses unwahrscheinliche Bild aber nicht heraufbeschwören. »Und wenn sie
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