Alejandro Canches 01 - Die siebte Geissel
erzählen sollte, daß es ihr gelungen war, unfreiwillig sämtliche Laken zu zerwühlen, und daß sie das, was sie in acht langen und bemerkenswert einsamen Stunden erlebt hatte, kaum als Schlaf bezeichnen konnte, sondern eher als halbbewußtes Herumwälzen. Sie entschied sich, nichts von den bohrenden Kopfschmerzen zu sagen, die jedesmal, wenn sie auch nur ein wenig den Hals bewegte, ihr Gehirn zu spalten drohten. Vielleicht hat er Aspirin, dachte sie und erwog noch einmal ihre Lage.
»Ach, ganz gut«, sagte sie schließlich. Das entsprach halb der Wahrheit, was dann folgte aber keineswegs: »Ich fühle mich sehr ausgeruht heute morgen. Das muß der Wein gewesen sein.«
»Sie Glückliche«, sagte er. »Ich habe mich aus irgendeinem Grund die ganze Nacht herumgewälzt. Vielleicht war es das ungewohnte Bett, ich weiß nicht. Normalerweise kann ich in ungewohnten Betten ganz gut schlafen.«
»Tatsächlich?« sagte Janie kichernd. »Können Sie Zeugen für diese Behauptung beibringen?« Ihr Kichern ging in ein herzhaftes Lachen über.
Einige Sekunden herrschte völliges Schweigen am anderen Ende, dann lachte auch Bruce und sagte: »Ich bin wohl selber schuld, was? Vielleicht sollte ich Gesprächen am frühen Morgen aus dem Weg gehen.«
»Ach, ich weiß nicht«, sagte Janie. »Es fiel mir nur einfach so ein. Tut doch gut, den Tag mit einem Lachen zu beginnen. Und es tut mir leid, daß Sie nicht gut geschlafen haben. In Wirklichkeit ist es mir nicht viel besser ergangen. Ich glaube, ich hatte einfach zuviel getrunken.«
»Vielleicht hatte ich nicht genug getrunken. Aber ein oder zwei Tassen Kaffee werden mich vermutlich wieder aufmuntern. Ich gehe nach unten ins Café zum Frühstück, falls Sie auch kommen möchten.«
»Ich komme in ein paar Minuten nach, sobald ich angezogen bin.«
»Ich werde im Depot anrufen, bevor ich nach unten gehe; vielleicht haben sie endlich etwas von Ted gehört.«
»Gute Idee. Ich glaube, ich werde es auch noch mal bei Caroline versuchen.«
»Hoffen wir, daß wir beide gute Neuigkeiten haben, wenn wir uns nachher treffen«, sagte er, und sie legten auf.
Ted zog das Sensorthermometer von seiner heißen, feuchten Haut und schaute auf die Anzeige. »Neununddreißig neun«, sagte er laut, obwohl ihn keiner hören konnte. »Großer Gott.« Er setzte sich auf den Bettrand; dabei fiel ihm auf, daß seine Knie schmerzten. Noch ein Symptom? dachte er bei sich. Was kommt als nächstes?
Er war sicher, daß er mehr hatte als eine Erkältung. Er hatte unruhig geschlafen und war in der Nacht mehrmals aufgestanden, um Wasser zu trinken, doch sein erster Gedanke beim Erwachen war wieder der Durst. Er fühlte sich erhitzt und schweißig, und seine Augen sahen krank aus, aber was ihm mehr als alles andere Sorgen machte, war die Schwellung an seinem Hals. Sie hatte nicht abgenommen, sondern war sichtbar größer geworden.
Als er jetzt seinen Hals untersuchte, sah er dunkle Stellen, wo die Schwellung ausgeprägter war. Bei seiner Arbeit hatte er die Symptome der meisten modernen Krankheiten aus eigener Anschauung kennengelernt, doch etwas wie das, was er jetzt im Spiegel erblickte, hatte er noch nie gesehen.
Er strich sich mit der Hand über den Hals. Die Knoten fühlten sich hart an, und der leichte Druck verursachte die Art von dumpfem Schmerz, die er mit einem großen, geschlossenen Abszeß in Verbindung gebracht hätte. »Au!« Er zuckte zusammen, als seine Finger eine besonders schmerzhafte Verdickung berührten. Er dachte, er sollte vielleicht einen Arzt aufsuchen, fragte sich aber, wie er das tun konnte, ohne auf sich aufmerksam zu machen. Er wollte seine Kollegen nicht wissen lassen, daß es einen Riß im Panzer seiner Perfektion gab, und wenn seine nicht diagnostizierten Beschwerden sich tatsächlich als etwas Schlimmeres als eine Erkältung herausstellten, dann wollte er auf keinen Fall von den langsam kreisenden Rädern des medizinischen Systems erfaßt werden. Ein falscher Schritt, und er würde in dessen großes Mahlwerk geraten und erst wieder herauskommen, wenn die Behörden überzeugt waren, daß er keine Bedrohung für die Gesellschaft darstellte. Die Ironie der Tatsache, daß er selbst oft Teil dieser strengen Behörden war, entging ihm nicht.
Er entschied, daß die sicherste Vorgehensweise darin bestand, mit dem Computersystem des Instituts eine Selbstdiagnose zu versuchen. Er wußte, daß alle Programme, die er brauchte, um seine Symptome zu erfassen und zu analysieren, in der
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