Alejandro Canches 01 - Die siebte Geissel
ihr mit zitternder Hand verzweifelt über das rote Haar.
Alejandro saß an dem kleinen Tisch im Privatgemach des Königs und sah zu, wie das Abendlicht lange Schatten an die gegenüberliegende Wand warf. Der König hatte ihn zu sich rufen lassen, und der Arzt frage sich ängstlich nach dem Grund. Plötzlich flog die Tür auf, und Edward schritt rasch in den Raum. Alejandro sprang auf und verbeugte sich. Der König hieß ihn wieder Platz nehmen. Das wird ein kurzes Gespräch; er ist besorgt und in Eile.
»Doktor, ich bin in einer schwierigen Lage und brauche Eure Hilfe.«
Mit Argwohn in der Stimme sagte Alejandro: »Sire, womit kann ich Euch dienen?«
Edward atmete tief ein, als bereite er sich auf eine lange Rede vor, und begann mit seiner Geschichte. »Ihr wißt, daß es in Isabellas Haushalt ein junges Mädchen gibt, das meine Tochter ist, aber nicht von meiner Königin.«
»Das hat man mir gesagt, ja. Ich dachte, daß es mir nicht zukommt, mich näher danach zu erkundigen, Majestät.«
»Für einen Spanier beweist Ihr große Weisheit, Doktor Hernandez.«
Alejandro ließ sich seinen Ärger über die kaum verhüllte Beleidigung seines Erbes nicht anmerken, denn die Bemerkung des Königs wäre noch beißender ausgefallen, wenn er die Wahrheit gekannt hätte. »Das liegt zweifellos an meiner französischen Erziehung, Sire.«
Der König warf dem Arzt einen Blick zu; er wußte, daß seine Kränkung mit einer anderen erwidert worden war, jedoch so subtil, daß er sich dadurch nicht beleidigt zeigen konnte. »Ach, ja, Eure Ausbildung in Montpellier«, sagte er nur. »Aber laßt mich fortfahren.« Er ging auf und ab und rang die Hände.
»Die Mutter des Kindes, die in London wohnt, ist erkrankt. Heute morgen kam die Nachricht, daß die Dame an der Pest leidet.«
»Es tut mir leid, das zu hören, Euer Majestät. Es ist eine wirklich schreckliche Art zu sterben.«
Angst und Reue klangen im Tonfall des Königs mit. »Ich sehe überhaupt keine angenehme Art, diese Welt zu verlassen, Doktor, und ich hege noch immer große Zuneigung zu dieser Dame. Es war nicht meine Entscheidung, sie nach London zu schicken. Bis heute quälen mich die Umstände ihrer Abreise sehr. Hätte ich zu entscheiden gehabt, so wäre sie nicht fortgeschickt worden.«
Alejandro war etwas verlegen über die Reue, die der König äußerte, und fragte sich, wie er wohl seine Missetaten wiedergutmachen wollte. »Euer Majestät, ich sehe nicht, wie ich Euch behilflich sein könnte. Ich kann die Dame nicht heilen, obwohl ich meine Seele dafür geben würde, es zu können.«
Ungeduldig sagte der König: »Das erwarte ich auch nicht. Ich möchte, daß Ihr das Kind nach London an das Sterbebett seiner Mutter bringt. Ich kann nicht länger mit der Qual darüber leben, daß die beiden getrennt sind. Ihr seid am besten geeignet, auf der Reise über sie zu wachen. Zumindest besteht dann eine gewisse Hoffnung, daß sie heil nach Windsor zurückkehrt, wenn Ihr alle Eure Fähigkeiten zu ihrem Schutz anwendet. Es gibt für mich schon viel zu viele Gründe, Angst um meine unsterbliche Seele zu haben; zumindest die Last dieser Schuld wäre mir genommen.«
Alejandro war verblüfft. Das war mit Sicherheit das Todesurteil für ihn und das Kind. Wie konnte Edward diese Bitte rechtfertigen?
Doch es war keine Bitte. »Bereitet Euch vor, sofort abzureisen, Doktor«, sagte der König, »denn Ihr habt wenig Zeit und werdet beim ersten Morgenlicht aufbrechen.«
Adeles ohnehin blasses Gesicht verlor jede Farbe, als Alejandro ihr von der »Bitte« des Königs berichtete.
»Großer Gott ... warum kann er nicht einen der Wachleute schicken?«
»Er glaubt, in meiner Begleitung hätte Kate bessere Chancen, die Hin- und Rückreise nach London zu überleben. Er hat schwere Schuldgefühle wegen ihrer Trennung von ihrer Mutter.«
»Zu Recht. Er hat nicht versucht, sich für sie einzusetzen, als Königin Phillippa das Kind nahm, sondern nur seine Hände in Unschuld gewaschen. Und jetzt will er seine Sünde gutmachen, indem er Kate in den sicheren Tod schickt, und Euch mit ihr!« Sie unterdrückte ein Schluchzen. »Verflucht sei diese Pest und all die Bosheit, die sie hervorgerufen hat!«
»Adele«, flüsterte er mit mehr Zuversicht, als er empfand, »fürchtet nicht um meine Rückkehr. Ich habe viele Prüfungen durchlitten und dabei wenig Hoffnung gehabt, Freude oder Zufriedenheit zu finden. Jetzt habe ich wenigstens einen Grund, mich weiter zu bemühen, denn mich treibt die
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