Alejandro Canches 01 - Die siebte Geissel
und sagte: »Gott allein weiß, welcher Bogen den tödlichen Pfeil verschoß. Wir werden es Ihm überlassen, uns alle zu richten.«
»Ihr Barbaren! Ihr Ungeheuer! Was habt Ihr Schreckliches getan?«
Isabella stand hilflos da und beobachtete das wütende Feuer außerhalb des Schloßtors, das Ballen von Seide und Leinen und zahllose Längen schön gearbeiteter Spitze verzehrte. Sie lief auf und ab und sah wütend zu, wie ihre langersehnten Kostbarkeiten verbrannten; der Anblick war zuviel für sie. Erbärmlich jammernd klammerte sie sich an Adele fest.
Alejandro sah von weitem zu, wie Adele versuchte, ihre erzürnte Herrin zu beruhigen. Wie müßig! dachte er zornig. Adele konnte Isabellas spektakuläre Darbietung vor der versammelten Menge nicht stoppen. Wieso trauerte sie nicht um den Schneider Reed? Der Arzt schüttelte angewidert den Kopf und wandte sich von dem Schauspiel ab, das Übelkeit in ihm aufsteigen ließ.
In dieser Nacht träumte er wieder von Carlos Alderon, der seinen Schlaf zorniger und lebhafter denn je störte. Diesmal jedoch gesellte sich die geisterhafte Gestalt von Matthews dazu, der ihn verfolgte, wie eine Zielscheibe gespickt mit Pfeilen, die in seinem Lauf aneinanderstießen und eine bizarre, geisterhafte Musik ertönen ließen.
Alejandro war nicht bereit, Isabella aus ihrer gemeinsamen Vereinbarung zu entlassen, obwohl Matthews’ Mission erfolglos gewesen war. Unerwartet weise weigerte sich der König, sich Isabellas jammernde Bitten anzuhören, und es ging das Gerücht um, selbst ihr in sie vernarrter Vater empfinde Abscheu vor ihr. Nur die geduldige, loyale Adele schien fähig, die Prinzessin zu ertragen; fast alle anderen im Schloß hatten sich von ihr abgewandt. Endlich, bei einer ihrer immer häufigeren, aber stets heimlichen Zusammenkünfte, fand Alejandro den Mut, Adele nach dieser Situation zu fragen.
»Ich bin zwischen zwei gegensätzlichen Gedanken hin und her gerissen«, sagte er. »Ich bewundere, wie Ihr die starrsinnige Natur der Prinzessin ertragt, und finde es gräßlich, daß Ihr so unendlich geduldig mit ihr sein müßt. Ich bezweifele, daß ich in der Lage wäre, mir ihre Beleidigungen so lange anzuhören.«
Adele errötete bei diesem Kompliment. »Ich bitte Euch, bedenkt ihre Lebensumstände, bevor Ihr sie verurteilt. Trotz der erheblichen Vorteile ihrer Stellung hat sie keine aufrichtigen Bewunderer oder Verehrer, und sie ist sechzehn Jahre alt! Mir wird wenigstens die Bewunderung eines edlen Mannes zuteil, der ein geschickter und aufmerksamer Arzt ist. Isabella hat kein Glück in der Liebe, und auch ihrem Vater ist kein Erfolg beschieden bei seinen Versuchen, sie zu verheiraten. Sie war zweimal verlobt und bleibt doch eine alte Jungfer.«
Alejandro freute sich über das Geständnis, daß sie seine Aufmerksamkeiten genoß.
»Aber über ihr Alter braucht sie sich doch keine Sorgen zu machen«, sagte Alejandro. »Ihr selbst seid älter als sie und auch noch unverheiratet; von Euch höre ich darüber keine Klagen.«
Adele wirkte betroffen, und Alejandro bedauerte seine taktlose Bemerkung sofort.
»Ich bin nicht traurig, weil ich nicht verlobt bin«, sagte Adele. »Zwar hat niemand um mich angehalten, und das wird wahrscheinlich so bleiben, bis Isabella selbst mit Hochzeitsvorbereitungen beschäftigt ist. Es ist ihr Vater, der dem Mann seiner Wahl meine Hand gewähren muß, aber das wird nicht ohne Zustimmung der Prinzessin geschehen. Und sie wird nicht zustimmen, solange sie meiner Gesellschaft bedarf.«
Alejandro antwortete nicht, denn darauf gab es nichts zu sagen. Isabella würde sich von ihrer liebsten Freundin und einzigen Stütze erst trennen, wenn das in ihrem eigenen Interesse lag. Sein Mangel an Diskretion war Alejandro peinlich, und er entschuldigte sich, Adele in Verlegenheit gebracht zu haben.
»Ach, lieber Freund«, antwortete sie mit niedergeschlagenen Augen, »um mich braucht Ihr Euch keine Sorgen zu machen. Ich bin mit meiner Stellung hier nicht unzufrieden. Ich habe nie viel an Heirat gedacht, denn meine Verlobung würde niemandem Vorteile bringen, weil ich keine Familie mehr habe, der eine günstige Vermählung nützlich sein könnte. Isabella ist meine Familie; in ihrem Haushalt genieße ich Privilegien, wie sie kaum jemand auf dieser Welt je erleben wird. Ich bin zufrieden.« Sie sah ihm direkt in die Augen. »Ich war es - bis jetzt.«
Endlich streckte er die Arme aus und umfaßte sie, wie er es sich von Anfang an gewünscht hatte, und strich
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