Alejandro Canches 01 - Die siebte Geissel
einen auffallend kleinen Penis hatte, und sie erinnerte sich beschämt, wie sie alle darüber gekichert hatten, da sie wußten, daß der Patient unter Vollnarkose stand und sie nicht hören konnte. Vermutlich nicht hören konnte, dachte sie und schämte sich noch mehr.
Sie versuchte, das, was mit ihr passieren würde, als eine schlichte medizinische Behandlung zu sehen, doch damit hatte sie keinen rechten Erfolg. Karma, dachte sie unglücklich, Vergeltung. Nervös sah sie sich in dem kleinen Raum um, starrte in die Spiegel an den Wänden; sie spürte die unsichtbaren Augen der Wachleute hinter diesen Spiegeln, die sie betrachteten, als sie den Plastikanzug auf ihre Knöchel rutschen ließ und herausstieg. Die Frau hob ihn sofort auf und stopfte ihn in einen gelben Plastikbeutel.
Dann reichte die Frau ihr eine Duschhaube und ein durchsichtiges Plastikhalsband, auf dem »Ethel J. Merman« stand. »Bitte schieben Sie Ihr Haar unter diese Haube, und legen Sie sich das Identifikationsband um den Hals. Dann stellen Sie sich auf das Podest und bleiben still stehen. Sie erhalten jetzt eine Säuberungsdusche, um Ihre Haut zu sterilisieren.«
Janie hörte das kratzende Geräusch einer Schiebetür in der Decke, die sich öffnete. Sie schaute nach oben und sah ein großes Paneel in der Decke verschwinden; gleich darauf erschien ein großes, rundes Rohr, einer Miniaturrakete nicht unähnlich, das abgesenkt wurde und sie umschloß. An der Innenwand der Röhre saßen Tausende von winzigen Spritzdüsen.
»Bitte heben Sie die Hände und fassen Sie den Griff über Ihrem Kopf. Schließen Sie die Augen, und halten Sie sie geschlossen, bis der Sprühvor- gang beendet ist.«
Winzige Strahlen einer bläulichen Flüssigkeit, die die gleiche Temperatur hatte wie ihre Haut, bombardierten ihren Körper. Sie hatte vergessen, tief einzuatmen, bevor die Dusche begann, und hätte beinahe nach Luft geschnappt, ehe die Flüssigkeit versiegte. Starke Gebläse traten in Aktion, und trockene Luft ließ die blaue Flüssigkeit von ihrem Körper auf das Podest rinnen. Ein Vakuumabfluß öffnete sich und saugte die blauen Pfützen ein. Dann wurde der Luftstrom aus dem Gebläse schwächer, und bald war Janies Körper wieder trocken.
Die Frau reichte Janie ein dünnes blaues Handtuch aus leichtem Stoff und wies sie an, alle Körperfalten abzutrocknen, die die Luft vielleicht nicht erreicht hatte. »Jetzt muß ich Sie um Ihre Mitwirkung bitten, obwohl die nächsten paar Minuten Ihnen wahrscheinlich nicht gefallen werden.« Janie glaubte wieder einen mitfühlenden Ausdruck im Gesicht der Frau zu sehen. »Am besten wehren Sie sich nicht. Dann geht es sehr schnell. Und wir bekommen ein gutes Bild. Sie wollen das ja sicher nicht noch einmal machen müssen.«
Und dann wurden all die Sonden, die sie auf dem Tablett gesehen hatte, in ihre sämtlichen Körperöffnungen eingeführt. Dazu wurde jede entsprechend geformte Sonde zuerst mit einem Plastiküberzug versehen - Maschinenkondome, dachte Janie - und dann eingefettet, bevor man sie in ihren Körper schob. Klebepflaster wurden auf ihren Nabel, mehrere Stellen auf dem Brustkorb, ihre geschlossenen Augenlider, ihre Brustwarzen und die Spitzen ihrer Fingernägel geklebt. Jedes dieser Pflaster war ein Minisender, der ein Bild des Gebietes abstrahlte, auf dem es sich befand.
»Jetzt sind wir fast fertig; versuchen Sie, sich ru- hig zu halten«, sagte die Frau zu Janie. »Bald ist es vorbei.«
Janie versuchte, ruhig zu bleiben, konnte ihr Zittern aber nicht ganz unterdrücken. Sie sah nicht mehr, was mit ihr passierte, hörte aber die Frau sagen: »Jetzt nur noch eine Sache.«
Die Frau stieg auf einen Hocker und nahm Janie die Haube vom Haar. Dann faßte sie das Haar und zog es nach oben, wo es in eine Vakuumhaube gesaugt wurde. Wie um Janie zu trösten, sagte die Frau: »Früher mußten wir den Leuten die Köpfe scheren. So ist es besser, finden Sie nicht?«
Mit der Sonde im Mund konnte Janie nur antworten: »Rrrrgh.«
»So, Miss Merman, jetzt sind wir gleich fertig … «
Acht Platten kamen langsam aus der Öffnung in der Decke und vereinigten sich zu einer neuen Röhre um Janies Körper. Janie konnte sie nicht sehen und auch das Geräusch, das sie machten, nicht deutlich hören, aber sie spürte ein leichtes Vibrieren des Podests, als die schweren Objekte sich herabsenkten.
Sie wollte schreien, aber es war unmöglich. Sie fragte sich, wie die echte Ethel Merman, ein fabelhaft beherztes Frauenzimmer,
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