Alejandro Canches 01 - Die siebte Geissel
wurde ihm zu seiner Bestürzung klar, daß der König bei einer so attraktiven Mitgift vielleicht versucht war, sie einer günstigen Allianz wegen in eine Vernunftehe zu zwingen; Alejandro schauderte bei dem Gedanken, Adele könne die Gattin irgendeines Mannes werden, dem nichts daran lag, ihr Herz zu gewinnen, um so mehr aber an ihrem Reichtum.
Als sie die Abendmahlzeit beendet hatten, lobte Adele die Vielfalt und Qualität der Speisen, die die Haushälterin ihnen binnen so kurzer Zeit hatte auftischen können. »Ihr habt ein bemerkenswertes Mahl bereitet«, sagte sie, »sogar mit Honigkuchen für alle, wie ich gesehen habe. Ich glaube, wir werden alle viel zu süß werden.«
Die Haushälterin zwinkerte ihr zu und sagte: »Ach, Lady Adele, was die Alten unter uns betrifft, mögt Ihr recht haben, aber kann ein kleines Mädchen jemals zu süß sein?«
Adele sah Kate an, deren Mund und Hände mit Honig verschmiert waren. Dem Kind fielen vor Müdigkeit die Augen zu. »Das wohl nicht, aber ein kleines Mädchen kann zu müde sein«, sagte sie. »Vielleicht ist es Zeit, daß sie zu Bett geht.«
Das Kind protestierte nicht, als die Haushälterin es zu Adeles früherem Zimmer führte. Nachdem Kate fort war, wandte sich Adele an ihren Verwalter und bat um seinen Bericht.
»Wie Ihr am Inhalt der Speisekammer sehen konntet, Mylady, geht es uns noch gut. Wir haben noch Hilfe, um die Ernte einzubringen.«
»Ich schließe daraus, daß andere kein solches Glück haben.«
»Bei so vielen Toten haben viele andere Güter nicht genug Leute, um zu ernten«, sagte der Mann. »Wir haben vier Bauern verloren, aber ihre Felder waren nicht die besten, und die anderen haben sich mit der Feldarbeit abgewechselt, damit das Getreide nicht ins Kraut schießt. Gegen ein kleines Entgelt natürlich.«
»Natürlich«, sagte Adele. »Niemand soll unbezahlt auf meinen Gütern arbeiten. Und die Wolle? Wie geht es mit dem Scheren?«
»Auch da haben wir dieses Jahr Glück«, sagte der Verwalter. »Der Ertrag ist sehr hoch.«
»Und die Preise? Wie steht der Markt bei so vielen Toten?«
»Die Preise sind natürlich gefallen, aber zweifel- los werden sie wieder steigen, wenn die Lage sich beruhigt. Ich sehe keinen Grund, warum wir unsere Vorräte zu schnell verkaufen sollten; wir können sie ein Jahr aufheben oder sogar zwei, wenn nötig. Es gibt genügend andere Erträge, um all Eure Unkosten zu decken, und wir können es uns leisten, darauf zu warten, daß die Wollpreise wieder steigen.«
»Dann werden wir das tun«, sagte Adele. Sie sah sich unter den versammelten Pächtern ihrer verschiedenen Ländereien um; alle hatten den gleichen ängstlichen Gesichtsausdruck. »Nun, ich spüre, daß Ihr alle mir noch mehr sagen wollt. Bitte sprecht frei heraus.«
Mit großer Dringlichkeit beschrieben die Leute die tägliche Ungewißheit ihrer Existenz; alles, was ihnen vertraut gewesen war, hatte sich verändert oder würde sich bald verändern, und ihr Leben hatte nicht mehr die schlichte Sicherheit von früher. Man nannte Adele die Namen der Toten aus der Umgegend, und ihr kam es so vor, als habe die Seuche fast die Hälfte der Menschen, die sie kannte, dahingerafft.
»Alle sind schon abgestumpft von der Trauer um ihre Lieben«, sagte der Verwalter, »denn alle haben jemanden verloren, und der Tod hat angefangen, seine schockierende Macht zu verlieren. Wenn ein einzelner Mensch stirbt, wird das fast nicht mehr beachtet.«
Die traurigen Neuigkeiten bedrückten Adele sehr, und das sah man ihr an. Sie entließ alle bis auf den Verwalter und die Haushälterin, die sie beauftragte, alles für die Abreise am nächsten Morgen vorzubereiten. Dann fragte sie Alejandro, ob noch weitere Vorkehrungen nötig seien, was er verneinte, und entließ auch diese beiden, nachdem sie sich herzlich für ihre gute Arbeit bedankt hatte. Dann waren sie endlich allein.
Alejandro konnte förmlich spüren, wie das Blut durch seine Adern strömte; ihm gegenüber an diesem Tisch saß die erste Frau, der er wahre Zuneigung entgegengebracht hatte, und er wußte, mit der Zeit würde seine Liebe zu ihr zu etwas heranwachsen, das er nicht mehr beherrschen konnte. Hier gibt es keine Prinzessin, die Bedienung fordert, und keinen Diener, der seinem Prinzen für ein paar Münzen in einer Stoffbörse Geschichten erzählen könnte, dachte er mit pochendem Herzen. An diesem Ort ist Adele die Herrin ihres eigenen Schicksals und auch meines, Gott sei gelobt.
»Adele«, sagte er leise; er
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