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Alejandro Canches 01 - Die siebte Geissel

Alejandro Canches 01 - Die siebte Geissel

Titel: Alejandro Canches 01 - Die siebte Geissel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Benson
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nicht entdeckt werden wollte. Mühsam erhob sie sich auf Hände und Knie und kroch zu einer dunkleren Stelle einige Gebäude weiter die Gasse hinunter.
    Als sie glaubte, daß man sie nicht mehr sehen und für verdächtig halten konnte, lehnte Caroline sich zurück; ihr Atem war ein mühsames Keuchen, und sie zitterte vor Kälte. Plötzlich kehrten alle Beschwerden und Schmerzen, die sie bei ihrer angstvollen Flucht vergessen hatte, mit Wucht zurück. Ihre Füße taten weh, und sie merkte, daß sie nicht daran gedacht hatte, Schuhe anzuziehen. Ihr Kopf dröhnte, ihr Hals war so steif, daß sie nicht den Kopf drehen konnte, ohne fast zu weinen. Aber sie wußte, sie mußte sich umsehen, um ihre Lage einzuschätzen; also drehte sie den ganzen Körper, um sich einen Überblick zu verschaffen. Dabei liefen ihr Tränen über die Wangen.
    Als ihre Augen sich langsam an die Dunkelheit gewöhnten, erkannte sie zu ihrer Bestürzung, daß sie nicht allein an diesem dunklen Ort war. In der Nähe befanden sich mehrere regungslose Gestalten. Ob sie männlich oder weiblich waren, betrunken oder tot, konnte sie nicht feststellen, aber ihr war klar, daß es sich bei ihnen nicht um normale, durchschnittliche Bürger handelte. Sie verhielt sich ganz still und beobachtete sie eine Weile, bis sie sicher war, daß alle schliefen.
    Die halbe Stunde, die die Feuerwehrleute brauchten, um festzustellen, daß es in dem Hotel nicht gebrannt hatte, kam ihr wie eine Ewigkeit vor. Endlich fuhren sie davon, und das Dröhnen ihrer starken Fahrzeuge verklang in der Ferne. Caroline versuchte aufzustehen, doch ihr war so schwindlig, daß sie wieder zurückfiel; sie landete hart auf dem Gesäß und spürte einen brennenden Schmerz durch ihren kranken Körper zucken, am schlimmsten am Hals, in den Leisten und in den Achselhöhlen. Sie gab den Versuch auf, aufrecht zu gehen, und kroch leise zum nächsten schlafenden Bewohner der Gasse. Vorsichtig, ohne ihn aufzuwecken, zog sie ihm die Schuhe aus und streifte sie über ihre kalten Füße. Dann zwang sie sich hoch und taumelte unbeholfen dem Ende der Gasse zu, auf der Suche nach irgendeinem sicheren Ort.
    Der schäbige Mann, dessen Schuhe sie gestohlen hatte, richtete sich leise auf und kroch zu seiner Nachbarin. Er klopfte der ebenso zerlumpten Frau auf die Schulter und sagte: »Komm. Sie geht jetzt.«
    Die Frau setzte sich sofort auf und rieb sich die Augen. Dann standen beide auf, hielten sich aber in den langen Schatten, während sie Caroline geräuschlos folgten.
    Gleich außerhalb der Gasse lehnte Caroline sich an einen Laternenpfahl. Sie hielt sich fest, um nicht zu fallen, und sah sich um. Sie wagte nicht, lange im Freien zu bleiben, aber sie konnte sich kaum bewegen. Sie sah hinter dem Fenster eines nahen Restaurants die sauberen und von sanftem Kerzenlicht beleuchteten Gesichter gutgekleideter Gäste.
    Sie taten etwas, was sie schon hundertmal getan hatten, genossen in aller Ruhe das Essen in einem öffentlichen Restaurant, lachten, tranken und amüsierten sich prächtig. Sie selbst dagegen hing an einem Laternenpfahl, trug gestohlene Schuhe und war mehr tot als lebendig. Sie fragte sich, wie sie in so kurzer Zeit so anders geworden war als diese Leute. Ich sehe einen Film darüber, wie mein Lehen früher war, dachte sie; ich gehöre nicht mehr dazu.
    Ein Mann kam aus der Vordertür des Restaurants; er war gut gekleidet und sauber, und seine Schritte, als er auf sie zukam, waren fest und entschlossen. Er kommt mir zu Hilfe, dachte Caroline dankbar, und er trägt keine Uniform ! Als er näher kam, entschied sie, daß er die Art Mann war, auf deren Hilfe man sich verlassen konnte, und versuchte zu lächeln.
    Ihre beiden Verfolger blieben zurück, unsichtbar in der Dunkelheit, und beobachteten besorgt, wie der Mann zu Caroline ging. »Was machen wir jetzt?« fragte die Frau.
    »Bloß zusehen«, antwortete ihr Gefährte. »Und in der Nähe bleiben. Viel mehr können wir nicht tun.«
    Sie hielten sich verborgen und hörten Caroline sagen: »Oh, Gott sei Dank, ich brauche wirklich Ihre Hilfe.«
    Doch der Mann packte sie an der Schulter. »Ihnen ist nicht mehr zu helfen!« sagte er wütend. »Verdammte Marginale! Wie oft muß ich euch noch von meinem Fenster verscheuchen?«
    Ehe Caroline noch protestieren konnte, zerrte er ihre schwache, stolpernde, hustende Gestalt in eine andere Gasse, wo er sie unsanft auf das zerbrochene Pflaster fallen ließ.
    Er schüttelte die Faust in ihre Richtung und sagte:

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