Alejandro Canches 01 - Die siebte Geissel
eine Gänsehaut. Der leichte Plastikstoff des Anzugs wärmte sie nicht, und als sie zwischen zwei schweigenden Biocops zu ihrer Zelle zurückging, zitterte sie sichtbar. Die kalte Scham, vergewaltigt worden zu sein, war noch immer so intensiv, daß sie das Gefühl hatte, ihr Körper sei gar nicht mehr ihr eigener, sondern irgendwie fremd und verändert und gehöre jemand anderem. In diesem gespaltenen Zustand kehrte sie in ihre Zelle zurück, sehr viel gehorsamer, als sie diese in Gesellschaft des Biocops verlassen hatte. Wenn man noch weitere Forderungen an sie gestellt hätte, hätte man sie ziemlich gefügig gefunden.
Der Boden der Zelle bestand aus Fliesen, und als Janie ihre Kleider wieder aufhob, hatten sie deren Kälte angenommen. »Drehen Sie sich um, ja?« sagte sie kühl zu Bruce, der schweigend gehorchte. »Ich ziehe jetzt meine schmutzigen Kleider wieder an.«
Er hätte ihr gern viele Fragen gestellt, aber er hatte die Demütigung und Wut in ihrem Gesicht gesehen, als die Biocops sie zurückgebracht hatten, und hielt es für besser, sie nicht zu stören, bis sie sich ein wenig erholt hatte. Er hatte gehofft, sie würde von sich aus sprechen, aber sie blieb stumm, und ihre Zähne klapperten, als sie in der Zelle auf und ab ging.
Schließlich verlor er die Geduld; er wollte unbedingt wissen, wie es ihr ging. Noch immer mit abgewandtem Gesicht sagte er: »Janie?«
Sie ging weiter auf und ab. »Ja?«
»Kann ich mich wieder umdrehen?«
»Aber bitte.«
Er drehte sich um und sah sie an. Sie wich seinem Blick aus. »Sind Sie in Ordnung?« fragte er leise.
Sie zögerte einen Moment und antwortete dann in gedämpftem Ton. »Ich denke, man könnte sagen, daß ich in Ordnung bin.« Sie seufzte tief. »Aber es ist mir schon entschieden besser gegangen.« Als sie endlich aufblickte und ihn durch die Gitterstäbe der Zelle ansah, verriet ihr Gesichtsausdruck Niedergeschlagenheit und Erschöpfung. Sie atmete tief aus und sagte: »Das war zweifellos die erniedrigendste Erfahrung meines Lebens.«
Der Blick, den er ihr zuwarf, ließ echte Reue erkennen, als sei er irgendwie persönlich verantwortlich für ihre Schwierigkeiten.
»Es tut mir leid, daß Ihnen das passiert ist. Ich weiß, daß Sie das Printen mißbilligen. Es ist hart, aber ich denke nicht mal mehr darüber nach.« Mit gesenktem Kopf fügte er hinzu: »Manchmal vergesse ich, wie schwierig es für manche Menschen ist ...«
Janie setzte sich wieder auf den kalten Boden und zog die Knie an die Brust. »Ich kann mir nicht vorstellen, daß es für irgend jemanden einfach ist. All diese Sonden und Sensoren . und die Stellen, wo sie sie anbringen . Ich habe mich gefühlt wie an einem Bratspieß, als würden jeden Moment Flammen an meinen Knöcheln züngeln.«
Bruce schwieg ein paar Augenblicke bedächtig. Als er endlich wieder sprach, klang seine Stimme zurückhaltend. »Wie lange hat das Printen gedauert? Ich meine, die eigentliche Abbildung.«
Sie schniefte. »Ich kann es Ihnen nicht sagen; ich habe keine Uhr gesehen, so lange ich da drinnen war. Es könnte eine halbe Stunde gewesen sein. Fühlte sich an wie eine Ewigkeit. Aber ich weiß es wirklich nicht.«
»Es ist lange her, seit ich zum letzten Mal geprintet worden bin…«
Janie richtete sich ein wenig auf. »Das letzte Mal? Ich verstehe nicht. Ich dachte, das würde nur einmal gemacht.«
Er zögerte ein paar Sekunden, ehe er antwortete, um die richtigen Worte zu finden. Schließlich gab er sich mit der schlichten, unverblümten Wahrheit zufrieden. »Ich habe mich freiwillig zur Verfügung gestellt.«
Janie stand auf. »Sagen Sie das noch mal«, sagte sie. »Ich bin nicht sicher, ob ich Sie richtig verstehe.« Sie sah ihn mit zusammengekniffenen Augen an. »Sie haben sich freiwillig zweimal printen lassen?«
Ihr Blick war so intensiv, daß er sich ganz klein vorkam. »Es war mehr als zweimal. Tatsächlich bin ich zehnmal geprintet worden.«
Ungläubig umfaßte sie die Gitterstäbe. »Zehnmal? Um Gottes willen, warum , Bruce? Das ist eine schreckliche Prozedur! Sind Sie eine Art Masochist?«
»Ich mußte sicher sein, daß wir es richtig machen!« Jetzt war er betroffen, und seine Stimme verriet den Konflikt, den er empfand. Seine Beteiligung an der Entwicklung des Bodyprinting hatte er als berauschend empfunden, doch als er ihr jetzt die Geschichte erzählte, kam er sich dabei so unbehaglich vor wie in einem Beichtstuhl. »Ich gehörte zu dem Team, das die ersten Printingtechniken
Weitere Kostenlose Bücher