Alejandro Canches 01 - Die siebte Geissel
Beutel aus fein besticktem Leinen. Er drehte ihn in den Händen und untersuchte ihn sorgfältig, kindliches Staunen im Gesicht.
»Ich hatte nicht erwartet, es in die Hände gelegt zu bekommen«, sagte er. »Was ist das für ein Geschenk, das Ihr mir da gebt? Ist das Heilmittel darin enthalten?«
Ihr Lachen klang tief und uralt, fast musikalisch in seiner verzaubernden Wirkung auf ihn. Sie sagte: »Ihr müßt immer auf das vorbereitet sein, was Ihr nicht erwartet, Arzt; wenn Ihr das Heilmittel kennenlernen wollt, so öffnet den Beutel und befriedigt Eure Neugier.«
Er tat es begierig. Er zeigte Adele den Beutel, die ihn mißtrauisch beäugte, aber trotzdem mit ihm zusammen den Inhalt betrachtete. Er nahm jeden Gegenstand vorsichtig und mit großer Ehrfurcht zur Hand, und Adele folgte seinem Beispiel. Der Beutel enthielt mehrere kleine Säckchen, jedes mit einem Vorrat seltener Kräuter gefüllt, darunter auch die, die de Chauliac ihm zu Beginn seiner Reise in Avignon gegeben hatte und die nun verbraucht waren. Es gab auch einen größeren Beutel, gefüllt mit einem faul riechenden, gräulichen Pulver. Er nahm etwas davon zwischen die Finger und ließ es wie Sand wieder in den Beutel rieseln. Es gab ein kleines Fläschchen, gefüllt mit gelblicher Flüssigkeit und mit einem Korken verschlossen. Es gab rote Bänder, eine Walnußschale und ein paar andere seltsame Gegenstände, für die er keinerlei medizinische Verwendung kannte. Er umklammerte den kostbaren Beutel fest mit beiden Händen, um sicher zu sein, daß er wirklich existierte, daß er ihn berühren konnte und ihn sich nicht nur einbildete.
Er sah sich nach der Frau um und wollte ihr für die Gabe danken. »Gute Frau, ich weiß nicht einmal, wie ich Euch anreden soll, um Euch meinen Dank auszusprechen. Wir kamen auf der Suche nach einer Frau namens Mutter Sarah hierher ...«
»Und Ihr habt sie gefunden.«
Als sie so seine Vermutung über ihre Identität bestätigte, konnte Alejandro seine Erregung kaum beherrschen. »Ihr seid es also wirklich!« Zu Adele gewandt sagte er: »Sie ist es!« Er drehte sich wieder der alten Frau zu. »In meinem Staunen über diesen Ort habe ich fast den eigentlichen Grund unseres Kommens vergessen. Wir haben die Lady gesehen, die Ihr pflegt, und haben gehört, daß sie zwei Wochen überlebt hat! Sprecht mir von Euren Heilmitteln, denn sie sind ein bedeutendes Wissen!
Meine Seele dürstet danach, Eure Methoden kennenzulernen.«
»Arzt«, antwortete sie, »Ihr müßt Geduld haben. Zur rechten Zeit wird alles enthüllt werden. Ihr werdet die Antwort finden, die Ihr sucht, wenn Ihr sie braucht.«
Zum ersten Mal fühlte Alejandro sich an diesem traumhaften Ort nicht mehr völlig ruhig. »Ich fürchte, sie könnte mir entgehen, ich könnte nicht erkennen, was ich sehen soll.«
»Ihr müßt darauf vertrauen, daß Ihr sie erkennen werdet«, antwortete sie nur. »Ihr haltet das Heilmittel in Händen, und bald werdet Ihr es in Eurem Herzen haben. Geht jetzt und kümmert Euch schnell um das Wohlergehen des kleinen Mädchens, denn ihre Seele ist in ernster Gefahr. Ich kann den Ausgang ihrer Reise nicht sehen, aber sie wird in den nächsten Tagen eine schwere Prüfung durchleben. Vor allem denkt daran, daß Ihr glauben müßt und glaubt daran, daß alles gut enden wird.«
Alejandro hätte ihr gern noch tausend Fragen gestellt, merkte aber, daß Adele sehr unruhig und besorgt war.
»Sie spricht von einem kleinen Mädchen«, sagte sie. »Sie kann nur Kate meinen. Wir müssen zu ihr zurückkehren!«
Es kam ihm nicht in den Sinn, die alte Frau zu fragen, wieso sie von Kate wußte; es erschien ihm einfach ganz natürlich. Sie fanden ihre Pferde da, wo sie sie zurückgelassen hatten, fröhlich weidend in dem süßen, dunkelgrünen Gras. Alejandro verstaute den schönen Beutel mit den Heilkräutern vorsichtig in seiner Satteltasche. Dann saßen sie auf und machten sich auf den Rückweg durch den dunklen Wald zu den beiden Eichen, die eine Art Tor bildeten, das in die Außenwelt führte.
Unmittelbar vor den beiden Bäumen hielten sie ihre Pferde an. Alejandro konnte den eisigen Wind auf seinem Gesicht spüren, der aus der Welt kam, die sie nun betreten würden, und das warme Sonnenlicht auf seinem Rücken, das ihn schmerzlich an die Welt erinnerte, die sie gerade verließen.
Er sagte: »Ich fürchte, wenn wir dieses Tor passieren, werden wir uns nicht mehr daran erinnern, was wir auf der anderen Seite erkannt haben.« Er sah Adele flehend
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