Alejandro Canches 01 - Die siebte Geissel
vertraute Geruch seine Nase so stark, daß er umkehrte und hinausrannte, würgend und nach frischer Luft schnappend wie ein Ertrinkender. Er brauchte sich nicht weiter umzusehen, denn die Quelle des erstickenden Geruchs war klar. Und obwohl er erst in zwei Tagen nach Canterbury reiten sollte, beschloß er, beim ersten Morgenlicht aufzubrechen, denn er wußte, er mußte dem König seine Erkenntnisse mitteilen.
Doch als er nach einer unruhigen Nacht erwachte, schaute er aus dem Fenster und sah, daß ein heftiger Wind die Bäume peitschte und Regen nur so vom Himmel strömte. Er war gezwungen, seine Abreise um einen Tag aufzuschieben, bis eine vernünftige Chance bestand, daß er sein Ziel heil erreichen würde, denn bei dieser Mission konnte er keinen Mißerfolg riskieren.
Adele schloß die Knöpfe ihrer Ärmel wieder und ordnete ihre Röcke über dem Hemd. Neben ihr wischte sich die Nurse die Hände an einem Leintuch ab und seufzte dabei schwer; dies war eine schwierige Wendung der Ereignisse, und sie fürchtete um die Seele der Lady.
»Es kann kein Zweifel bestehen. Eure Menses hat zwei Monate ausgesetzt, und Euer Schoß fühlt sich weich an. In der Mitte des Winters werdet Ihr, so Gott will, ein Baby in Euren Armen halten.«
Adele, die völlig außer sich war, gab keinen Kommentar zu dieser Neuigkeit ab. Als sie zuerst den Verdacht zu hegen begann, daß neues Leben in ihr wuchs, war das ein erschreckender Gedanke, denn dieses vaterlose Kind konnte nicht in Isabellas Haushalt wohnen. Das Kind, das Adele trug, war keine Kate, sondern der Bastard eines Spaniers, und bis er zum Ritter geschlagen wurde, würde man Alejandro als unstandesgemäßen Gatten für die adelige Lady Throxwood betrachten; sie mußte ihren Zustand bis zu seiner Ernennung geheimhalten.
»Wenn Ihr mich liebt«, sagte Adele zur Nurse, »wie Ihr meine sanfte Mutter geliebt habt, dann sagt bitte kein Wort darüber zu irgend jemandem, vor allem nicht zu meiner Herrin Isabella. Ich möchte dieses Wissen mit dem Vater des Kindes teilen, bevor es im Palast bekannt wird.«
»Lady«, sagte die Nurse etwas zögernd, denn sie ahnte, wer der Vater des Kindes sein könnte, und ängstigte sich um das ungleiche Paar, »wenn Ihr im Sinn habt, Euch von dieser Bürde zu befreien, so kann dafür gesorgt werden. Schon viele Hebammen haben einen unerwünschten Samen aus dem Leib seiner Mutter gepflückt, sogar unter Hochgeborenen.«
Adele wußte bereits, daß es privilegierten Frauen von Stand möglich war, eine unerwünschte Schwangerschaft zu beenden, aber in ihrer Verwirrung hatte sie daran nicht einmal gedacht; fast war sie böse über die zusätzliche Komplikation, die die alte Frau damit schuf, obwohl sie es gut mit ihr meinte. Jetzt, da ihr Zustand gewiß war, gab es vieles zu bedenken. Ihr Kopf begann zu schmerzen, und sie rieb sich leicht die Stirn. Obwohl ihre Lage sie besorgt machte, hatte sie schon viele glückliche Stunden von dem schönen Leben geträumt, das sie und Alejandro vielleicht bald genießen würden, und ihr Kind ebenfalls, wenn alles gutging. Sie hatte den größten Teil ihres Lebens im Dienste ihrer Freundin verbracht, doch nun war es an der Zeit, etwas Eigenes zu haben. Sicher hätte Isabella nichts dagegen.
»Es ist einfach zuviel, worüber ich nachdenken muß!« sagte Adele, rollte sich zur Seite und verbarg ihr Gesicht.
Die Nurse entfernte sich von dem schmalen Bett und machte sich im Zimmer zu schaffen, tat sinnlose kleine Dinge, um der Lady einen ungestörten Moment zu gewähren. »Gott verfluche alle Fliegen!« sagte sie und schlug sich auf die Handfläche. »Einmal möchte ich einen Frühling ohne die ärgerlichen kleinen Störenfriede erleben!«
Adele antwortete nicht, sondern stöhnte, als eine Welle kalter Übelkeit sie überkam; sie drehte sich auf die andere Seite und zog die Knie an, um sie zu lindern. Die Nurse hörte ihr Stöhnen und eilte wieder an ihrer Seite.
»Viele Frauen, die ein Kind erwarten, leiden in der ersten Zeit unter Übelkeit«, sagte sie, »aber das wird vergehen. In zwei Monden werdet Ihr Euch wieder wohl fühlen. Und das Kind in Euch wird wachsen! Ihr werdet spüren, wie es Euch tritt. Diese frohe Zeit ist ein großer Genuß.«
»Ach, liebe Nurse, wie gut Ihr mich tröstet«, sagte Adele und faßte nach der Hand der alten Frau. »Ich dachte, diese Schmerzen wären Gottes Strafe dafür, daß ich nicht keusch gewesen bin.«
»Aber nein«, sagte die Nurse mitfühlend. »Das geht den meisten Frauen
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