Alejandro Canches 01 - Die siebte Geissel
so. Ich vermute fast, daß auch die Heilige Jungfrau persönlich so gelitten hat.«
Adele schloß die Augen, bereit für einen neuen Krampf, und sagte: »Dann werde ich um ihre Anleitung und ihren Schutz beten.«
Um die Mitte des Vormittags fühlte Adele sich etwas besser; sie nahm eine leichte Mahlzeit zu sich und verbrachte einige Zeit mit Sticken. Sie war über ihre Stickerei gebeugt, als Isabella vom Hof zurückkehrte und ihr mitteilte, König Edward wünsche sie unter vier Augen zu sprechen.
»Aber Ihr seid so blaß«, sagte die Prinzessin. »Seid Ihr krank?«
»Ein bißchen müde vielleicht«, sagte Adele. Als sie in Isabellas Spiegel schaute, sah sie, daß die Prinzessin recht hatte. Sie kniff sich mit den Fingerspitzen in die Wangen, und diese röteten sich. Sie drehte sich zu Isabella um, und die Prinzessin lächelte anerkennend.
»Warum in Gottes Namen wünscht er mich zu sehen?« fragte sie, da sie nichts von dem furchtbaren Streit zwischen der Prinzessin und dem König wußte.
»Ich weiß nicht«, antwortete Isabella, sich ahnungslos stellend.
Oh, lieber Gott, nein, dachte Adele plötzlich. Es kann nicht sein. Nicht jetzt. Schüchtern fragte sie ihre Herrin: »Hat er ein Heiratsangebot für mich?«
Als sie Adeles besorgten Gesichtsausdruck sah, lachte die Prinzessin. »Habt keine Angst, meine liebe Freundin. Von einem Angebot habe ich nichts gehört. Ich vermute, daß er mit Euch über Dinge sprechen möchte, die Eure Güter betreffen. Aber daß mein Vater sich so gerne reden hört, sollte Euch nicht zu lange bei Hofe festhalten. Wenn Ihr zurückkommt, werden wir unsere Roben für die Zeremonien anprobieren. Sie sind endlich eingetroffen, und keinen Augenblick zu früh!«
Während sie sich zu den Hofgemächern des Königs schleppte, fragte Adele sich, ob sie ihr Zimmer überhaupt hätte verlassen sollen. Ihre Übelkeit kehrte mit aller Macht zurück, und sie mußte stehenbleiben, um sich an eine Wand zu lehnen. Sie unterdrückte das würgende Gefühl und suchte sich zu fassen; dann ging sie auf die große Halle zu.
»Nun, Ihr seid ja so weiß wie das reinste Leinen!« sagte der König, als er sie sah. »Was fehlt Euch, Lady?«
»Es ist nur eine Grippe, Sire; eigentlich geht es mir heute morgen schon viel besser. Ich bitte um Entschuldigung für meine Blässe.«
Der König fragte nicht weiter, sondern erklärte sich erfreut zu hören, daß sie sich besser fühle. Er bot ihr einen Stuhl an, den sie dankbar nahm.
»Es gibt eine Mission von großer Bedeutung, über die ich Euch nachzudenken bitte«, begann der König. »Ich möchte Euch bitten, bei einigen wichtigen Vorbereitungen für Isabellas bevorstehende Vermählung zu helfen.«
Verwirrt sagte Adele: »Euer Majestät, ich verstehe nicht. Ist meine Lady denn verlobt worden?«
»Was, hat diese nachlässige Person es denn versäumt, Euch die großartige gute Neuigkeit mitzuteilen? Dabei seid Ihr doch ihre engste Vertraute! Wie ungewöhnlich gnädig von ihr, mir die Freude zu überlassen, es Euch als erster zu sagen! Wir haben die Vereinbarungen für Isabellas Verheiratung mit Karl von Böhmen, der bald gekrönter Kaiser sein wird, fast abgeschlossen. Ihr sollt mit ihr reisen und ein Jahr als ihre Freundin und ihr Trost bei ihr bleiben. So wird sie genügend Zeit haben, sich an ihren Gatten zu gewöhnen. Sie wollte Euch diese Reise nicht selbst aufzwingen, aber ich bin aufrichtig überzeugt, daß Eure Anwesenheit ihr eine große Freude sein und dazu beitragen wird, die Union zwischen England und Böhmen zu festigen.«
Als daraufhin alle Farbe aus Adeles Gesicht wich, fragte Edward: »Lady Adele, ist Euch unwohl? Wir können dies auch später besprechen ...«
Zitternd antwortete sie: »Nein, Sire, es wird schon vergehen . Ich bin in dieser Zeit nicht an gute Neuigkeiten gewöhnt .«
»Dann will ich Euch nicht aufhalten, denn zwei so gute Nachrichten, eine für Euch selbst und eine für Isabella, sind sicher mehr, als Ihr ertragen könnt. Sagt mir, bevor ich Euch verabschiede, kann ich gute Dienste, wie Euer Vater sie mir in Frankreich leistete, auch von seiner Tochter in Böhmen erwarten?«
Adele konnte nicht antworten, es ging einfach über ihre Kraft. Überwältigt von dem, was das Verlangen des Königs mit sich brachte, verlor sie das Bewußtsein und sank ohnmächtig auf ihrem Stuhl zusammen.
Sir John Chandos war in der Nähe; der große Krieger eilte herbei und hob sie mühelos auf. Er trug sie ohne Hilfe in die Frauengemächer
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