Alejandro Canches 01 - Die siebte Geissel
die Achtung, die man einem Mann von meinem Wert und meiner Ritterlichkeit schuldet!«
Alejandro sank auf die Knie, völlig ausgelaugt; Hernandez mußte ihn in die Arme nehmen, damit er nicht zu Boden stürzte, und dabei merkte er, wie schmutzig er wirklich war. Er wandte den Kopf ab und äußerte sogleich eine Meinung zu Alejandros Verfassung. »Ihr stinkt schlimmer als ein französischer Edelmann; dem Zustand müssen wir abhelfen, wenn ich Euch den ganzen Weg bis Avignon begleiten soll.« Er lachte und fügte hinzu: »Vielleicht werde ich Euch taufen. Das könnte nicht schaden. Kommt mit mir, mein junger Herr, und laßt uns für Euer neues Leben sorgen. Zumindest könnt Ihr es in sauberem Zustand beginnen. Dann werden wir sehen, was Euch sonst noch not tut.«
Und sie gingen hinaus in das blendende Tageslicht. Alejandro stolperte blind dahin, mit erstaunlicher Sanftheit gestützt von dem riesigen Spanier, der zu seiner Rettung gekommen war. Hernandez warf seinen Gefangenen förmlich über den Sattel eines wartenden Pferdes, bestieg dann selbst ein zweites und übernahm auch die Zügel von Alejandros Reittier. Langsamen Schrittes machten sie sich auf den Weg. Hernandez gab acht, daß das Pferd seine Last nicht verlor.
Nicht weit entfernt gab es einen Bach in einer bewaldeten Gegend, von Bäumen beschattet und nicht einzusehen. Hernandez hob Alejandro vom Pferd und setzte ihn sanft ab. Dann begann er sofort, ihm die Lumpen vom Körper zu streifen. Als er dem jungen Mann das Hemd über den Kopf ziehen wollte, schrie Alejandro auf und drückte die Arme fest gegen seine Brust.
»Nun kommt schon, Jude; Schamhaftigkeit ist eine gute Sache bei einem Mädchen, aber bei einem Mann ist sie vergeudet!« Er versuchte erneut, ihm das Hemd auszuziehen, und nun sprach Alejandro endlich und sagte, das werde er selbst tun. Vorsichtig schlüpfte er aus den Ärmeln, löste das Hemd vorsichtig von seiner verwundeten Brust und gab Hernandez ein Zeichen, ihm das einst feste, aber nun zerfetzte Gewebe über den Kopf zu ziehen.
Als Hernandez den brennend roten Kreis dicht unter Alejandros Halsansatz sah, sog er überrascht die Luft ein. » Madre de Dios, junger Mann, welches Verbrechen habt Ihr begangen?«
»Überhaupt kein Verbrechen«, lautete die schnelle und ärgerliche Antwort. »Ich werde dafür bestraft, daß ich nach größerem Wissen gestrebt habe, um das Los aller Menschen zu verbessern, die unnötig unter Krankheiten leiden.«
Hernandez erkannte das Feuer des Eiferers in seiner Stimme. Aha, dachte er, der war es also. Er hatte von dem lokalen Aufruhr gehört, weil ein Händler aus seinem Grab geholt worden war, angeblich von einem Juden aus Cervere. Und obwohl Hernandez es für das beste hielt, die Angelegenheiten Gottes Gott zu überlassen, schauderte ihn doch unwillkürlich beim Gedanken an einen verwesenden Leichnam unter dem Messer des Arztes. Neugierig betrachtete er den drahtigen und exotisch aussehenden Mann, der den Mut gehabt hatte, etwas zu tun, was er selbst nie fertiggebracht hätte. Vielleicht ist mehr an ihm dran, als man auf den ersten Blick sieht, dachte er amüsiert.
Vorsichtig führte er Alejandro ans Ufer und bat ihn, in den kühlen Bach zu steigen. Er hat Glück gehabt, dieses Brandmal zu überleben! dachte Hernandez. Er hatte eine solche Verbrennung schon einmal gesehen; sie hatte grünen und gelben Eiter ausgeschieden und rasch die Kräfte des Opfers verzehrt, das delirierend und nach Wasser schreiend gestorben war. Hernandez sah zu, wie Alejandro in das Wasser stieg, und spähte neugierig nach seinem männlichen Glied, um die Auswirkung des Rituals zu sehen, das kurz nach der Geburt an allen jüdischen Knaben vollzogen wurde.
Bei diesem Gedanken erschauerte er von neuem, hob die Augen und bemerkte, wie vorsichtig der junge Mann die runde Wunde auf seiner Brust säuberte. Das bereitete ihm offensichtlich Schmerzen, denn er sog den Atem ein und verzog das Gesicht, als das Wasser die Wunde berührte.
Während er tropfnaß im Bach stand, wandte Alejandro sich an Hernandez und fragte, ob es bei ihren Mundvorräten auch Wein gebe. Hernandez nickte und ging hinüber zu den angebundenen Pferden. Er nahm eine Flasche aus einer der Satteltaschen. Überrascht beobachtete er dann, wie Alejandro sich nach hinten lehnte und sich den ganzen Inhalt der Flasche über die Brust goß; er zog eine Grimasse, während die Flüssigkeit über die kreisförmige Wunde rann.
»Also wirklich, junger Mann! Ich werde gut
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