Alejandro Canches 01 - Die siebte Geissel
den Bischof, und sie müsse ihm persönlich ausgehändigt werden. Der Mönch antwortete, er wolle das ja gern tun, aber der Bischof sei gerade ins Gebet vertieft und dürfe nicht gestört werden.
Wahrscheinlicher ist , daß er mit einer hübschen jungen Gefährtin im Bett liegt, dachte Alejandro bei sich, denn er hatte allerhand Geschichten gehört. Er nahm die Briefe aus seiner Weste, zeigte dem Mönch seinen Geleitbrief mit dem leicht zu erkennenden Siegel des Bischofs und dann das auf Hebräisch abgefaßte Schreiben; er sagte, nur er allein könne es übersetzen.
Als der Mönch sah, daß der Bischof diesem Mann mit eigener Hand einen Geleitbrief ausgestellt hatte, ließ er ihn ein. Er fragte sich, was der lange Brief in der heidnischen Schrift wohl enthalten mochte, den ein so ungewöhnlicher Bote überbrachte, entschied aber dann, das herauszufinden besser dem Bischof zu überlassen. Er führte den jungen Mann zur Tür des Salons und klopfte leise an.
»Herein«, sagte der Bischof.
Der Mönch winkte Alejandro durch die hohe Tür in den üppig ausgestatteten Raum. Alejandro war einen Moment beeindruckt von der Großartigkeit der Möbel und sah sich staunend um.
Der Bischof beäugte ihn argwöhnisch, während er den Salon musterte. »Nun, junger Reisender, Gott mit Euch. Kann ich etwas für Euch tun?«
»Herr, ich habe eine Botschaft von einiger Wichtigkeit, die hier auf dieser Schriftrolle steht.«
»Bringt sie her und laßt sie mich bei Licht betrachten.«
Während Alejandro näher trat, griff er in seine Weste und nahm den zusammengerollten Brief heraus. Er händigte ihn dem Bischof aus, der einen Augenblick brauchte, um das Band zu lösen, ehe er das Pergament entrollte.
Verblüfft sah er zu Alejandro auf und sagte: »Was ist das für ein Scherz, eine Botschaft in der heidnischen Schrift der Juden?«
»Es ist ein Anerkennungsschreiben Eures großen Bewunderers Avram Canches. Er wünscht Euch für Eure Freundlichkeit und die gerechte Behandlung zu danken.«
Ein Ausdruck großer Furcht breitete sich auf dem Gesicht des Mannes aus, und das freute Alejandro. Der Bischof wich zurück, denn er ahnte, was auf ihn zukam. Alejandro verschwendete keine Zeit. Er zog das Messer aus seinem Stiefel und stieß es tief in die Brust des zurückweichenden Geistlichen.
Als er die schlaffe Gestalt auf dem Boden vor sich sah und beobachtete, wie das Blut sich auf der Vorderseite seines prächtigen Gewandes ausbreitete, wunderte sich Alejandro, daß er, ein Arzt und Heiler, so ruhig das Leben eines anderen menschlichen Wesens beenden konnte. Er hatte geschworen, vor allem keinen Schaden zuzufügen, und hier in diesem luxuriösen Salon hatte er ohne Zögern und völlig gnadenlos einem Menschen den äußersten Schaden zugefügt. Er sah sich selbst in einem Spiegel. Wer ist dieser Schwindler? fragte er im stillen sein fremd aussehendes Spiegelbild. Er nahm dem Bischof die Schriftrolle aus der Hand, schob sie in eine Tasche seines Hemdes, wischte dann das Blut des Verräters von seinem Messer und steckte es wieder in den Stiefel. So leise, wie er eingetreten war, ging er auch wieder hinaus und zog die Tür hinter sich zu. Dann schritt er, als sei nichts geschehen, durch die Gänge der Abtei und traf draußen Hernandez. Sie wendeten ihre Pferde nach Osten und machten sich auf den Weg nach Avignon.
4
Janie und Caroline standen an einem Tisch im Hauptlabor der mikrobiologischen Abteilung des British Institute of Science, umgeben von Glas und poliertem Chrom und weißem Plastiklaminat. Das Labor befand sich in einem alten Gebäude mit altmodischen Merkmalen: hohen Decken, großen Fenstern, widerhallenden Echos, vielleicht sogar einem Gespenst, dachte Janie. Ehrfürchtig und überwältigt standen sie in der Mitte eines Raumes, der sowohl die würdige Autorität des Alters als auch die einschüchternde Macht der Technologie verkörperte. »So was hab ich noch nie gesehen«, sagte Janie. »Mein Gott, was würde ich dafür geben, hier einen Monat herumspielen zu dürfen.«
Der Techniker, der sie gerufen hatte, damit sie sich ansahen, was er in der letzten Röhre voll Erde gefunden hatte, lachte laut.
»Passen Sie bloß auf, daß Ihnen keiner von Biopol über die Schulter guckt. Und wenn Sie wirklich herumspielen wollen, dann lassen die Sie solche Kleider anziehen.« Er wies auf ein nahes Regal mit Biosafe-Ausrüstungen, alle vom gleichen unange- nehmen Grün, das Janie schon an den Biocops auf dem Flughafen gesehen
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