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Alejandro Canches 01 - Die siebte Geissel

Alejandro Canches 01 - Die siebte Geissel

Titel: Alejandro Canches 01 - Die siebte Geissel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Benson
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überall eine Art Gestapo herumlaufen oder so; eher so, als hätte jemand während der Ausbrüche Gestapo- Parfum in die Luft gespritzt, und der Gestank ginge nicht mehr ganz weg. Wie ein totes Stinktier. Das riecht man auch ewig lange.«
    »Davon hab ich ein bißchen was gehört; ich hab’s wohl ignoriert. Ich habe auch eigentlich keinen Grund, mich allzusehr darum zu kümmern, denn ich habe nicht vor, in nächster Zeit zurückzugehen. Ich habe versucht, den Kontakt mit den Leuten dort aufrechtzuerhalten, aber ich habe mich wohl nicht allzu geschickt angestellt. Mein ganzes berufliches Leben spielt sich hier ab. Ich habe drüben ein paar alte Freunde, aber das ist auch alles, und keiner von denen interessiert sich sonderlich für Politik. Meine Eltern sind tot, und Geschwister habe ich nicht.«
    »Meine Eltern sind auch tot; es fühlt sich an, als wären wir bei den Ausbrüchen um ein oder zwei Generationen zurückgefallen. Früher hatten Leute in unserem Alter ihre Eltern noch. Bis vor zwei Jahren hatte ich sogar noch eine Großmutter; sie ist allerdings nicht während der Ausbrüche gestorben. Sondern an Altersschwäche. Wurde eines Morgens nicht mehr wach. Meine Eltern hatten nicht solches Glück.«
    Sie senkte den Kopf und schwieg einige Augenblicke. Bruce sagte nur leise: »Das tut mir leid.«
    »Danke«, sagte sie. »Mir auch. Sie fehlen mir.«
    Er fragte sich, ob jetzt der richtige Zeitpunkt war, um ihr die andere Frage zu stellen, die ihm keine Ruhe gelassen hatte. Naja, wir reden doch von der Familie, beschwichtigte er sich. »Sie sagten, daß Sie jetzt Crowe heißen. Sind Sie verheiratet?«
    Nach einem tiefen Atemzug sagte sie leise: »Ich war es.«
    »Haben Sie Kinder?«
    Eine bedeutungsschwere Pause trat ein, und dann antwortete sie so leise, daß er sie kaum verstehen konnte: »Ich hatte ein Kind.«
    »Oh, mein Gott ...«, sagte er betroffen, als ihm der Sinn dessen aufging, was sie gerade gesagt hatte. Sie hat alles auf einmal verloren, dachte er, bestürzt über die niederschmetternde Wucht dieser Vorstellung. »Janie, es ... es tut mir so leid. Ich hatte keine Ahnung. Sonst hätte ich das nicht angesprochen. Hier war es nicht so schlimm, und wir sind einfach nicht an den Gedanken gewöhnt, daß jeder jemanden verloren hat.«
    Mit einem kleinen, schluchzenden Laut atmete sie einmal ein, und eine Träne lief ihr aus einem Augenwinkel. Sie rann bis zur Nasenspitze, hing dort ein paar Sekunden und fiel dann in ihren Schoß. Sie wandte den Kopf zur Seite und sah ihn an; er glaubte, noch nie ein so trauriges Menschengesicht gesehen zu haben. Sie versuchte zu lächeln. »Ist schon gut«, sagte sie. »Sie konnten es ja nicht wissen.«
    Sie richtete sich auf, schniefte und wischte sich sehr unelegant die Nase am Ärmel ab. »Ich habe anscheinend nie ein Taschentuch bei mir«, sagte sie. »Glauben Sie, daß das Ministerium für Etikette versuchen wird, mich festzunehmen?«
    Bruce lachte. Er war dankbar, daß sie nicht die Fassung verloren hatte. In ihrer Lage wäre ihm das sicher passiert. »Ich sag’s nicht weiter«, sagte er. »Aber wahrscheinlicher ist, daß Sie vom Gesundheitsministerium verhaftet werden, wegen öffentlicher Freisetzung von Körperflüssigkeiten. Aber das werde ich auch nicht weitererzählen.«
    Sie wußte, daß er scherzte, aber etwas an seinem Ton, als er über das Gesundheitsministerium sprach, brachte sie zu der Annahme, daß es ein schwerer Verstoß war, in aller Öffentlichkeit Tränen zu vergießen und sich zu schneuzen. Sie schniefte noch einmal, leise und, wie sie hoffte, dezent. Niemand von den Leuten ringsum schenkte ihnen besondere Aufmerksamkeit, und so verging ihre Verlegenheit nach ein paar Augenblicken. »Danke«, sagte sie schließlich mit einem schwachen Lächeln. »Ich weiß Ihre Diskretion zu schätzen. Und was ist mit Ihnen?« fügte sie mit festerer Stimme hinzu. »Sind Sie verheiratet?«
    »Nein«, sagte er. »Den Sprung habe ich nie gewagt.«
    »Schande über Sie«, sagte sie gespielt spöttisch; überrascht merkte sie, daß ihr Anfall von Trauer ohne bitteren Beigeschmack vergangen war. Vielleicht wird es ein bißchen leichter, dachte sie im stillen. »Sie haben sich der moralischen Verantwortung entzogen, die Population der alleinstehenden Frauen zu verringern.«
    Er lachte. »Sie sagen das mit soviel weiblicher Autorität! Wenn die richtige alleinstehende Frau vorbeigekommen wäre, hätte ich meine sozialen Pflichten nur zu gern erfüllt. Aber wie ich schon

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