Alejandro Canches 01 - Die siebte Geissel
könnten an einem von zwei Orten sein. Wir haben zwei Depots für langfristige Lagerungen, eines in Manchester und eines in Leeds. Aus dem Versandschein geht nur hervor, daß Proben von hier in beide Depots geschickt worden sind, aber welche wohin gingen, ist nicht verzeichnet. Ich habe schon bei beiden Depots angerufen, und ich rechne damit, daß sie mich spätestens morgen nachmittag zurückrufen.«
»Nicht mehr heute?« fragte sie, unverkennbar enttäuscht.
»Vielleicht auch noch heute, aber ich bin nicht sicher. Mit Bestimmtheit jedenfalls nicht später als morgen. Können Sie sich noch ein kleines bißchen gedulden?«
Sie seufzte und ließ sich auf ihrem Stuhl ein wenig zurückfallen. »Mir bleibt wohl nichts anderes übrig. Wir brauchen diese sechs Röhren. Wir haben ein Gitternetz von Grabungsstätten angelegt, sechs mal neun Reihen, also könnten wir jeweils eine Sechserreihe an jedem Ende weglassen und hätten trotzdem eine gültige Stichprobe. Aber wir haben die Proben nicht reihenweise entnommen; wir sind viel willkürlicher vorgegangen, je nachdem, ob der Papierkram für eine bestimmte Grabungsstätte schon erledigt war oder nicht, und deswegen sind die Proben nicht in einer bestimmten Reihenfolge gelagert worden. Die fehlenden sind auf das ganze Gitternetz verteilt, also müssen wir entweder die Originale zurückbekommen oder neue Proben entnehmen. Caroline hat mir gerade erzählt, daß zwei der Eigentümer die ersten Proben nur widerwillig zugelassen haben, also wäre es vielleicht sinnvoll, noch einen Tag zu warten, damit wir nicht erneut an die Leute herantreten müssen.«
»Hört sich umständlich an. Wenn ich Sie wäre, würde ich vermutlich auch warten.«
»Leider verurteilt uns das zum Daumendrehen.«
Bruce lachte. »Wußten Sie nicht, daß Daumendrehen in London illegal ist? Der Oberbürgermeister hält es für ein schweres Vergehen. Es gibt ein ganzes Ministerium voller Bürokraten, die nur dafür zu sorgen haben, daß innerhalb der Londoner Stadtgrenzen keine Daumen gedreht werden.«
»Das überrascht mich gar nicht. Hier scheint es für alles und jedes ein Ministerium zu geben.«
»Na, vielleicht könnte ich Ihnen helfen, den Fallstricken der Langeweile zu entgehen. Haben Sie das Britische Museum schon gesehen?«
»Außer dem Griff einer Bohrröhre habe ich überhaupt nichts gesehen. Wir waren zu beschäftigt für Besichtigungen. Wir haben unsere gesamten Proben innerhalb von vier Tagen entnommen.«
»Donnerwetter.«
Janie seufzte. »Das können Sie laut sagen. Am zweiten und dritten Tag hatte ich ganz schönen Muskelkater. Ich bin nicht daran gewöhnt, mich so oft zu bücken.«
»Na, ich war selbst länger nicht mehr im Museum, also, warum gehen wir nicht heute abend zusammen hin? Ich kann Ihnen versichern, daß Sie sich dort nicht bücken müssen. Hinterher könnten wir vielleicht etwas trinken oder sogar essen und uns ein bißchen unterhalten.«
Janie zögerte mit der Antwort, weil sie überlegte, ob die Beziehung nicht besser rein beruflich bleiben sollte. Aber die Einladung war ziemlich verlockend und Bruce war ein sehr attraktiver Mann. Sei nicht so verkrampft, Janie, sagte sie zu sich selbst. »Warten Sie einen Moment«, sagte sie. Sie legte eine Hand über die Sprechmuschel und flüsterte Caroline zu: »Würde es Ihnen etwas ausmachen, heute abend allein zu sein?«
Caroline zog ein wenig die Augenbrauen hoch und schüttelte den Kopf.
Janie nahm die Hand vom Hörer und sagte: »Ja, das wäre nett. Würde mir gefallen.«
»Gut«, sagte er. »Wird Spaß machen. Soll ich Sie gegen fünf abholen?«
Sie sah auf die Uhr; es war halb vier. Zeit genug, um mich präsentabel herzurichten, dachte sie. »Hört sich gut an«, sagte sie. »Bis später dann.«
»Okay. Bis nachher.«
»Wiedersehen«, sagte sie und legte auf.
»Was gibt’s?« fragte Caroline. »Hörte sich nach einer sehr freundlichen Unterhaltung an, vor allem gegen Schluß. Ich vermute, das bedeutet gute Nachrichten.«
»Ja. Er hat festgestellt, daß die Röhren an einen von zwei Orten geschickt worden sind, und morgen wird er wissen, wo sie sind.«
»Wunderbar!« sagte Caroline. »Gott, bin ich erleichtert! Aber was hat das damit zu tun, daß ich heute abend allein bin?«
»Das ist die bessere Nachricht«, sagte Janie grinsend. »Er führt mich heute abend aus.«
»Na fein«, sagte Caroline. »Man kommt nach London, um Daten zu sammeln, und im Ende springt auch noch ein Rendezvous dabei raus.«
»Ich hab
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