Alejandro Canches 03 - Der Fluch des Medicus
versuchen kannst du es wenigstens.«
»Jetzt rück schon raus mit der Sprache.«
Er gehorchte. »Ich glaube, ich sollte eine Weile hierbleiben.« Als er ihren scharfen Blick bemerkte, fügte er hinzu: »Na ja, ich dachte, ich greife ihnen unter die Arme, bis sie sich an die neue Situation gewöhnt haben, dass sie ohne Tom zurechtkommen müssen.«
Lany ließ den Huf los. »Das ist sehr nett.«
»Ihr könnt in Orange doch eine Zeit lang auf mich verzichten, oder?«
»Klar können wir das, aber jeder wird einen Teil deiner Pflichten übernehmen müssen. Und ich werde dich vermissen. Was meinst du denn, wie lange du hierbleibst?«
»Ich weiß nicht. Ich dachte, ich sehe mal, wie sich alles entwickelt.«
»Es kann eine ganze Weile dauern, bis sich alles neu eingespielt hat. Möglicherweise wird das Leben hier nie wieder so sein wie zuvor.«
Sie legte den Beschlaghammer ab, verschränkte die Arme vor der Brust und sah ihrem Sohn in die Augen. »Eigentlich geht es doch um Kristina, nicht wahr?«
Er senkte den Blick und nickte. »Ich mag sie sehr gern, Mom. Ich möchte mit ihr zusammen sein. Ich hatte noch nie eine richtige Freundin.«
»Was empfindet sie für dich?«
»Ich glaube, dasselbe.«
Lany blickte ihren Sohn an. »Weißt du was?«, fragte sie. »Bevor wir an die Ostküste gezogen sind, habe ich mir oft Gedanken deinetwegen und wegen der Mädchen gemacht - sie schienen ständig um dich herumzuschwirren. Du bist so hübsch und klug und nett. Ich hatte Angst, dass dich eines der Mädchen verführt und ich viel zu früh Großmutter würde. Aber seit wir in Orange sind, na ja … da habe ich mir Sorgen gemacht, dass du vielleicht niemals ein Mädchen finden würdest, weil es einfach keines gegeben hat. Ich freue mich sehr für dich, dass ihr beiden euch so gern mögt.«
Er strahlte. »Wenn sie da ist, fühle ich mich einfach wohl.«
»Das ist schön. Genauso soll es anfangen.«
Sie fasste ihn unter und führte ihn hinaus in die sternenklare Nacht. »Aber ich möchte dir etwas sagen, bevor du dich noch weiter auf sie einlässt. Geh es langsam an, um euer beider willen. In der alten Zeit war es sehr viel leichter, eine Beziehung zu beginnen und auch, sie wieder zu beenden, weil wir nicht so sehr auf Kontinuität bauen mussten, wie es jetzt der Fall ist. Damals war alles viel unbeständiger. Wenn man verlassen
wurde, dann tat das eine Zeit lang weh, aber auf die Dauer bedeutete es nicht viel - da waren andere Leute, auf die man zählen konnte, es gab die Aussicht auf eine neue Liebesbeziehung. Denk nur mal dran, wie sehr sich hier alle auf Tom verlassen haben. Seine Verletzung bedeutet einen herben Verlust. Wenn du ein Verhältnis mit Kristina beginnst, dann bedeutet das auch, dass ihr euch in Abhängigkeit voneinander begebt. Du nimmst eine große Verantwortung auf dich, besonders wenn man bedenkt, was sie kürzlich durchgemacht hat.«
»Das weiß ich.«
»Ich will damit nur sagen, dass du nicht leichtfertig sein solltest.«
Er blieb stehen und sah sie an. »Ich glaube, ich werde nie mehr irgendetwas leichtfertig tun, Mom.«
Das zu hören machte Lany traurig. Seine Ernsthaftigkeit brachte sie zum Verstummen.
Am nächsten Morgen trafen sie sich alle im Gemeinschaftsraum zum Frühstück, das aus Schinken, Eiern und frisch gebackenem Brot bestand.
»Tja«, sagte Michael, »das war ein ziemlich aufregender Besuch, finde ich. Nicht das, was ihr erwartet hättet, als ihr euch zu diesem Handel bereit erklärt habt, oder?«
»Ehrlich gesagt, hatten wir keine Ahnung, was wir erwarten sollten«, sagte Lany. »Aber wir hoffen, dass alles ein wenig glatter läuft, wenn ihr zu uns kommt.«
»Dein Wort in Gottes Ohr«, sagte Janie. Sie legte ihren Arm um Alex’ Schulter und zog ihn näher zu sich heran, dann sah sie Lany an. »Ich kann dir gar nicht genug danken dafür, wie du dich um Tom gekümmert hast.«
»Ich wünschte, ich hätte mehr tun können.«
»Du hast alles getan, was in deiner Macht stand.«
Alle schwiegen einen Moment. James durchbrach die düstere Stimmung. »Wann dürfen wir euch denn eigentlich erwarten?«, fragte er.
Janie zögerte kurz. »Etwa in zwei Wochen«, sagte sie schließlich. »Das sollte ausreichend Zeit sein, um hier alles umzuorganisieren, sodass Tom mich entbehren kann.« Lächelnd sah sie zu Evan. »Dass Evan hier ist, wird eine Riesenhilfe sein.«
»Zwei Wochen hört sich gut an«, sagte James. »Dann habe ich nach unserer Rückkehr genügend Zeit, mir die Relaisstation
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