Alejandro Canches 03 - Der Fluch des Medicus
sagte ihm, dass sie seine
Meinung teilte - es bestand wenig Anlass zur Hoffnung. »Du hast dich brav um sie gekümmert«, sagte er zu dem kleinen Mädchen, als er sich wieder erhob. Er bemühte sich um ein Lächeln, obwohl er sicher war, dass der Versuch recht kläglich ausfiel. »Du bist ein gutes und tapferes Kind.«
Kate fasste ihn beim Arm und zog ihn ein Stück vom Herd weg. »Ich weiß nur zu gut, welche Qualen diesem Kind bevorstehen«, flüsterte sie.
Du darfst nicht zulassen, dass ich die Medizin ausspucke, hörte er sich zu ihr sagen, vor einer halben Ewigkeit. Ganz gleich, wie sehr ich mich sträube, ich muss sie schlucken.
Er verfluchte die Mächte der Natur, denen es gefallen hatte, das schweflige Heilwasser aus Mutter Sarahs Quelle in eine gewöhnliche Flüssigkeit zu verwandeln. Er warf einen Blick auf das kleine Mädchen, das mit dem Tuch in der Hand zwischen seinen Eltern kniete. Gewissenhaft wischte sie ihnen den Schweiß von der Stirn. Sie war ein mageres kleines Ding und erinnerte ihn mit ihren langen blonden Haaren und den großen runden hellblauen Augen an die kleine Kate. Die Erkenntnis, dass sie vermutlich nicht zur Frau heranwachsen würde wie seine Tochter, ließ ihm das Herz schwer werden.
Als ob das Mädchen seine Gedanken lesen könnte, blickte es auf und fragte mit zitterndem Stimmchen: »Werde ich auch krank werden?«
Die Wahrheit, das wussten sie beide, würde das Kind nur ängstigen. Kate legte ihm sanft die Hand auf die Schulter und sagte: »Das weiß allein Gott. Du musst Ihn nach der Antwort fragen. Tu weiterhin das, was du bisher getan hast. Das wird deinem Vater und deiner Mutter sehr helfen.«
»Wird es ihnen helfen, am Leben zu bleiben?«
Nach einem kurzen Zögern erwiderte Alejandro: »Das liegt allein in Gottes Hand. Wir müssen jetzt gehen.«
Auf dem Gesicht des Kindes erschien der Ausdruck schierer Verzweiflung. »Bitte, könnt Ihr nicht noch bleiben, nur eine kleine Weile?«
»Es tut mir leid, mein Kind, aber es werden gewiss noch andere krank werden, und wir müssen Vorkehrungen treffen. Wir kommen morgen wieder.«
Tränen stiegen ihm in die Augen, als er das kleine Mädchen tapfer nicken sah.
Draußen auf der Gasse klammerte sich Kate an seinen Arm und ließ den Kopf an seine Schulter sinken. »O Père«, flüsterte sie, »es fällt mir so unendlich schwer, sie zurückzulassen.«
»Mir auch, meine Tochter. Aber es gibt nichts, was wir tun können. Und was ich sagte, stimmt. Wir müssen Vorkehrungen treffen.«
Keines der Blackwell-Kinder war draußen zu sehen, als sie zurückkehrten.
»Ich lasse sie nicht aus dem Haus«, sagte Blackwell auf ihre Frage hin. »Diese Kinder werde ich nicht auch noch verlieren, das schwöre ich.«
»Dann solltet Ihr sie besser wieder hinauslassen«, sagte Alejandro.
Blackwell kniff die Augen zusammen. »Ich verstehe nicht. In der Taverne sagtet Ihr doch, wir sollten alle in unseren Häusern bleiben.«
»Ich weiß, und das ist auch ratsam bei denen, deren Häuser dicht aneinander stehen, wie jene rund um den Marktplatz. Aber hier, wo ein großer Abstand zwischen Eurem Haus und dem nächsten liegt, ist es klüger, sie ins Freie zu lassen.«
»Aber die Säfte der Pest …«
»… finden sich in Eurem Haus wahrscheinlich ebenso wie draußen. Vielleicht sogar noch mehr davon.«
Um ein Haar hätte er dem Mann von den Ratten erzählt, die er vor langer Zeit aus einem brennenden Haus mit sieben Toten hatte flüchten sehen. Dieses Bild würde ihn bis ans Ende seiner Tage verfolgen. Aber es war schon schwer genug gewesen, den gebildeten de Chauliac zu überzeugen, der selbst jetzt noch Zweifel hegte und darauf beharrte, dass die Säfte mit
dem Atem des einen Opfers auf das nächste übergingen. Das, worauf sie sich schließlich einigten, lief auf Wir haben beide ein wenig recht hinaus. Und auch wenn Blackwell nicht dumm war, schien es unwahrscheinlich, dass er - inmitten des um sich greifenden Schreckens - wohlüberlegten wissenschaftlichen Erklärungen Gehör schenken würde.
Leise sagte Alejandro: »Wir werden uns um jeden Eurer Angehörigen kümmern, sollte der Fall eintreten, dass er erkrankt.«
Blackwells Stimme zitterte. »Ich bete unablässig zu Gott, dass das nicht nötig sein wird.«
»Ich auch«, sagte der Medicus.
Gegen Mittag des nächsten Tages waren sechs weitere Einwohner von Eyam erkrankt, und Dutzende andere zeigten Anzeichen der Krankheit. Alejandro und Kate arbeiteten bis tief in die Nacht, um die Kranken
Weitere Kostenlose Bücher