Alejandro Canches 03 - Der Fluch des Medicus
erst spät auf dem Berg ein, auch wenn der Winter recht mild gewesen war. Sie würden
alle erleichtert sein, wenn sie wüssten, dass Michael es bis zu diesem Punkt geschafft hatte.
Schweigend sahen sie zu, wie Tom Michael auf sein Pferd half - sie hatten den Hengst Galen genannt, nach dem alten Arzt und Heilkundigen, dessen Theorien und Verfahren noch die Medizin zu Alejandros Zeiten geprägt hatten. Den Namen hatten sie aus Alejandros Journal. Tom wiederum würde Jellybean reiten, benannt nach der Süßigkeit, mit der Janie sie abgerichtet hatte, als sie ins Gebirge gekommen waren. Der Spitzname blieb, als die Süßigkeit schon längst ausgegangen war. Sie ließen sie noch einmal durch den Hof traben, um sie sich anzusehen; wenn jemand auf ihrem Rücken saß, war ihr Lahmen wie durch ein Wunder verschwunden, offenbar liebte sie das.
Als sie die Männer auf sich zukommen sahen, flüsterte Janie Caroline zu: »Wie haben das nur die Frauen der Pioniere gemacht?«
Caroline schüttelte langsam den Kopf. »Ich weiß es nicht.«
Schlangenbisse. Bären. Löcher in der Erde - es gab genug, weswegen man sich Sorgen machen konnte. In der alten Zeit hatten Airbags, Polizisten und Supermärkte die Wachsamkeit, die zum Selbsterhaltungstrieb des Menschen gehörte, schwinden lassen. Aber mittlerweile lebten sie wieder mit dem Bewusstsein um die Gefahren, denn auch diese waren wieder zum Vorschein gekommen.
Unvermittelt rief Alex: »Halt! Wir brauchen Schwerter!«
»Wie bitte?«, fragte seine Mutter.
»Um einen Tunnel zu machen!«
Auf Janies verwirrten Blick hin sagte er: »Wie damals, wenn die Ritter die Burg verlassen haben!«
Natürlich. Einen Bogen. Sie trat nach vorne und hob eine Hand, um Michael und Tom zum Stehen zu bringen.
»Was ist los?«, fragte Tom.
»Ihr müsst eine Minute warten.«
Sie lief über den Hof ins Haus und kehrte mit einem ganzen
Schwung Besen und Schrubber zurück. Schnell reichte sie jedem einen und stellte sich wieder an ihren Platz. Kurz darauf ritten Tom und Michael unter rieselndem Staub und tröpfelndem Schmutzwasser und unter dem Jubel ihres Clans, der voller Hoffnung und voller Sorgen war, durch das Tor davon.
Die traurigen Reste der Straße wanden sich in Serpentinen den Berg hinauf. Im Vergleich zu dem richtigen Gebirge in Utah und Colorado war es eher ein Hügel, aber er stellte die beiden Männer vor ganz eigene Herausforderungen, die sich auf halbem Weg nach oben zeigten. Zusammen mit einer Lawine aus Steinen und Schlamm war ein riesiger Felsblock von weiter oben heruntergepoltert und lag nun mitten auf der Straße.
»Der liegt erst seit Kurzem hier«, sagte Tom. »Der Schlamm sieht noch ziemlich frisch aus.« Er deutete auf den Boden um den Felsen. »Oben herum geht es aber wahrscheinlich besser als hier unten lang«, sagte er.
Michael lenkte Galen zu einer Stelle, von der aus er eine bessere Sicht hatte, und sah den Abhang neben der Straße hinunter. »Ich glaube, du hast recht.« Er trieb Galen mit leichtem Schenkeldruck an. Das Pferd kletterte an dem Felsbrocken vorbei, vorsichtig zuerst, dann mit größerer Sicherheit. Der Boden war nass und rutschig, aber das Pferd schien zu wissen, was es tun musste, und ging unbeirrt weiter, obwohl es tief im Schlamm einsank.
Jellybean hatte es schwerer. Nach ein paar erfolglosen Versuchen rief Tom Michael zu: »Ich glaube, sie sollte nicht weitergehen. Ich binde sie fest und begleite dich zu Fuß.«
»Nein, das tust du nicht«, sagte Michael. »Kehr um, ich reite allein weiter.«
Zuerst wollte Tom nicht nachgeben, aber schließlich kapitulierte er.
»Vor Sonnenuntergang bin ich zurück«, sagte Michael.
»Klapp das Visier runter«, erwiderte Tom. »Und pass da draußen auf dich auf, da sind lauter Engländer.«
Michael lachte und schob das Plexiglasvisier an seinem Helm nach unten. Er winkte Tom zum Abschied zu und ritt weiter.
Vorsichtig suchte sich das Pferd einen Weg durch das Gemisch aus Schotter und Schlamm - es versetzte Michael mit seinem unheimlichen Gleichgewichtssinn, den man eigentlich eher von einem Muli erwartet hätte, in Erstaunen. Schließlich waren sie um das Hindernis herumgeritten und folgten einer natürlichen Lücke in den Büschen, aber es gab keinen leicht gangbaren Weg zurück zur Straße; das Gebüsch war zwar noch nicht grün, aber es war dicht und voller Dornen, nichts also, was Michael mit seiner Ausrüstung, die nicht reißfest war, durchqueren wollte. Beruhigend klopfte er dem Pferd den Hals und
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