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Alejandro Canches 03 - Der Fluch des Medicus

Titel: Alejandro Canches 03 - Der Fluch des Medicus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Benson
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erfordern, dass sie als Soldat auftrat, würde sie sich damit verraten, da die Röcke einer Frau schwer und oftmals nur mühsam auszuziehen waren. Er versuchte sich daran zu erinnern, wie alt Kate gewesen war, als sie angefangen hatte, sich darüber zu beschweren, wie lästig der viele Stoff beim Reiten sei. Irgendwann hatte sie sich aus einem Rock zwei Paar Beinkleider genäht und sie unbekümmert auf ihren Reisen getragen.
    Als er sich dessen erinnerte, schien die Selbstverständlichkeit, mit der Philomène Tunika und Beinlinge eines Soldaten
trug, begreiflicher. Das kurze Schwert an ihrem Gürtel, die Pfeile in ihrem Köcher - er hatte miterlebt, dass seine eigene Tochter diese Waffen nahezu begeistert mit sich geführt hatte. Oft war sie in den dichten Wäldern, die ihre kleine Hütte umgaben, auf die Jagd gegangen und hatte für ihre Mahlzeiten gesorgt, bis eines Tages Guillaume Karle mit seinem verwundeten Kameraden vor ihrer Tür stand. Während Alejandro sich verborgen hielt, bereit zuzuschlagen, falls nötig, öffnete die siebzehnjährige Kate die Tür. Wie ein Riese hatte Guillaume gewirkt, als er seinen verwundeten Kameraden über die Schwelle trug, dessen Arm Alejandro amputieren musste, um sein Leben zu retten. Doch es war vergeblich gewesen. Charles von Navarra und de Coucy hatten sie aufgespürt und dem Mann, den seine Retter bei ihrer Flucht hatten zurücklassen müssen, eine weitere Wunde zugefügt, die seinen sicheren Tod bedeutete. Und das nur, weil die armen Leute einen kleinen Teil französischen Bodens für sich beanspruchten! Mit welchem Recht konnten ihnen Navarra und de Coucy mit ihren riesigen Ländereien das verweigern? Im Grunde genommen war es einfach: Die Engländer hatten den französischen König in arge Bedrängnis gebracht, und Charles von Navarra versuchte, seine Chance zu nutzen und den Thron an sich zu reißen, und dazu brauchte er seinen gesamten Besitz und die damit verbundene Stärke. Letzten Endes waren seine Bemühungen - trotz seines Blutdurstes und der Niederschlagung der Jacquerie - jedoch erfolglos geblieben.
    Alejandro tätschelte Guillaume liebevoll die Hand, als er an den Tag zurückdachte, an dem seine Welt von einem Augenblick auf den anderen aus den Angeln gehoben worden war. Der Knabe rührte sich nicht, sondern schlief gleichmäßig atmend ruhig weiter. Alejandros Blick blieb an einer Libelle hängen, keine Armeslänge von seinem Gesicht entfernt. Mit unsichtbaren Flügelschlägen schwebte das wunderbare Geschöpf in der Luft auf und nieder, schoss bald in die eine Richtung, bald in die andere …

    … bis es von einem sirrenden Pfeil weggeblasen wurde.
    Das Geschoss blieb im Hals eines der Soldaten stecken, der zu Alejandros Linker ein paar Schritte vor ihm geritten war. Alejandro drehte sich in die Richtung, in der er den Schützen vermutete, als ein zweiter Pfeil an ihm vorbeiflog. Er stieß einen lauten Warnruf aus; Guillaume wachte auf und klammerte sich an seinen Rücken. Alejandros Blick fiel auf einige große Felsen, die ein Stück weiter aus dem Abhang ragten.
    »Halt dich fest«, wies er den Knaben an, und dieser schlang die Arme fest um die Taille seines Großvaters.
    Ihre Reisegefährten waren bereits auf dem Weg zu den Felsen. Alejandro hieb seinem Pferd die Fersen in die Flanken und lenkte es neben das Pferd des verwundeten Soldaten, der im Sattel zusammengesunken war. Er griff nach den Zügeln des verstörten Tieres und zog es hinter sich her, als er auf die schützenden Felsen zuritt.
    Ein weiterer Pfeil flog an ihnen vorbei und traf das Pferd des Verwundeten in die Seite. Das Tier bäumte sich auf, und Alejandros Pferd tat es ihm nach. Alejandro kämpfte darum, nicht den Halt zu verlieren, und merkte plötzlich, dass Guillaume aus dem Sattel zu rutschen begann. Er packte den Knaben am Arm und warf sich gegen den Hals des Pferdes. Es gelang ihm gerade noch rechtzeitig, das Tier mit seinem Gewicht nach unten zu drücken; beinahe wären er und Guillaume abgeworfen worden. Gleich darauf hatten sie die Felsen erreicht, und es streckten sich ihnen von allen Seiten Hände entgegen, die dem Knaben und dem verwundeten Soldaten beim Absteigen helfen wollten.
    Alejandro sprang aus dem Sattel und blieb ein paar Sekunden lang keuchend und vornübergebeugt stehen, um wieder zu Atem zu kommen. Währenddessen schob sich Guillaume zwischen ihn und den Felsen, wo er mit vor das Gesicht geschlagenen Händen niederkauerte.
    »Raubritter«, hörte er jemanden sagen.

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