Alejandro Canches 03 - Der Fluch des Medicus
ihr folgte.
Er tat also, was sie von ihm verlangte. Der Gefangene und
seine Bewacherin ritten die Straße hinunter. Nach ein paar hundert Metern kamen sie zu der kleinen Siedlung, der zeitgenössischen Variante einer Geisterstadt, wo Michael die neuen Proben gesammelt hätte, wenn alles nach Plan gegangen wäre. Vorsichtig hob er den Arm und schloss das Visier an seinem Helm, hoffend, das Knistern des Schutzanzugs würde ihn nicht verraten.
Aber sie bemerkte es doch.
»Warum haben Sie Ihr Visier geschlossen?«
Er zögerte. »Allergie«, sagte er dann.
»Unsinn«, sagte sie. »Warum? Raus mit der Sprache.«
Schließlich gab er nach. »Weil das Gebiet hier kontaminiert ist.«
Sie erstarrte. »Wo?«
»Ich weiß es nicht genau, aber in dem Gebäude dort vorne gibt es jedenfalls aktive Bakterien. Nicht Mr Sam.« Er deutete auf ein halb verfallenes Haus im viktorianischen Stil mit abgeblättertem Anstrich und durchhängender Veranda. »Die ganze Gegend hier kann kontaminiert sein, aber ich kann es nicht mit Bestimmtheit sagen.«
Leicht amüsiert sah er zu, wie sie sich ein Halstuch über Mund und Nase zog.
Er überlegte, ob er ihr sagen sollte, dass die Bakterien durch ihre Augen eindringen könnten, ließ es dann aber bleiben.
Ihre Stimme war durch das Tuch gedämpft, und er konnte wegen des geschlossenen Helms kaum etwas hören, aber er verstand es dennoch, als sie sagte: »Woher wissen Sie das?«
Wir, wäre ihm beinahe entschlüpft, aber er hielt sich gerade noch zurück. »Ich habe dort vor ein paar Monaten einige Proben genommen und war heute auf dem Weg, um eine Vergleichsprobe zu nehmen, als Sie … als wir uns begegneten.«
»Woher kommen Sie?«
Jetzt war es an ihm, zu lächeln und zu schweigen.
»Irgendwann werden wir es herausfinden.«
Sie hatte wir gesagt. Sie war nicht allein. Darüber hätte er eigentlich froh sein können, wenn er sich jetzt nicht hätte fragen müssen, wie sie, Plural, diese Information aus ihm herausholen wollten.
Rasch durchquerten sie die Geisterstadt. Nach einem quälend langen Ritt weiter die Straße entlang - nach dem Stand der Sonne zu urteilen, schätzte Michael, dass er drei Stunden gedauert hatte - erreichten sie eine Kreuzung. Das Straßenschild stand noch, aber die einstmals dunkelblaue Farbe war zu einem verwaschenen Jeansblau verblichen, und der Pfosten hatte einen scharfen Knick. Der Name Orange war gerade noch zu entziffern; Michael erinnerte sich an die ehemalige Fabrikstadt, durch die er einmal mit Caroline gekommen war.
Seit Lany Dunbar ihn gefangen genommen hatte, hatten sie sich immer Richtung Norden bewegt, und obwohl sie sich hier auf einer wesentlich geringeren Höhe als das Camp befanden, lag noch Schnee.
»Nach rechts«, sagte sie.
»Gut«, erwiderte er. »Aber könnten wir mal eine kurze Rast einlegen?«
»Warum?«
»Weil ich kurz um die Ecke verschwinden muss, wenn Sie verstehen, Ms Dunbar.«
»Hat Ihr Anzug etwa keinen Auffangbeutel?«
Einen Moment lang war er völlig perplex. Woher wusste sie von solchen Details? Erstaunt blickte er sie an; es war unübersehbar, dass es sie ärgerte, sich verplaudert zu haben.
Es gab nur zwei mögliche Erklärungen dafür: Sie hatte zu jemandem, der den grünen Schutzanzug getragen hatte, eine enge Beziehung, oder - auch wenn ihm die Vorstellung schwer fiel - sie hatte selbst einmal einen getragen.
Nach kurzem Überlegen sagte sie: »Das muss warten. Es ist nicht mehr weit.«
Michael war schon seit Ewigkeiten nicht mehr inmitten lauter fremder Menschen gewesen. Er fand sich von einer großen Gruppe von Männern, Frauen und Kindern umgeben, die ihn alle anstarrten, als käme er von einem anderen Stern. Das Anwesen, auf dem sie sich versammelt hatten, ähnelte dem ihren; ein paar Gebäude, Pfosten zum Festbinden der Pferde, geplättelte Wege, dürre Büsche, die bald grün werden würden. Unter dem wachsamen Auge Lany Dunbars, die immer noch die Waffe auf ihn gerichtet hielt, halfen die Männer Michael von Galen herunter. Sie fassten ihn vorsichtig an, überhaupt nicht grob. Einer der Männer nahm Galen am Zügel und führte ihn zu einem Gebäude, das ein Stall war, wie Michael vermutete.
»Er muss aufs Klo«, sagte Lany. Sie sah eine der Frauen an. »Kannst du ihm etwas zum Anziehen besorgen, Linda? Er sagt, er trägt nur Unterwäsche unter dem Schutzanzug.«
Die Frau, die sie Linda genannt hatte, schätzte mit einem Blick Michaels Größe und sagte: »Ich hole etwas von Steve.« Sie lief in eines
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