Alejandro Canches 03 - Der Fluch des Medicus
Unterkunft, eine günstige Gelegenheit ergibt.«
Ihre Spiegelbilder kräuselten sich, als die Pferde tranken. Philomène gab keine Antwort, aber sie machte auch keine abweisende Miene.
»Wenn Ihr es nicht für falsch erachtet, meine ich.«
Nach einer Weile sagte sie: »Ich hätte nichts gegen eine Unterhaltung einzuwenden. Gewiss gibt es Themen, über die ich nicht sprechen möchte, aber hin und wieder verlangt es einen doch nach angenehmer Gesellschaft.« Sie standen still nebeneinander und beobachteten die kleinen Wellen auf der Wasseroberfläche, bis die Pferde ihren Durst gestillt zu haben schienen. »Bevor Ihr mich aufsucht«, sagte sie, »solltet Ihr Euch dessen bewusst sein, dass die anderen Soldaten darüber reden werden, wenn sie uns zusammen sehen. Ihr müsst also sehr vorsichtig vorgehen. Sie halten mich für seltsam und werden folglich dasselbe von Euch denken.«
Beinahe hätte er gelacht. »Kaum auszudenken, was sie von Euch halten würden, wenn sie die Wahrheit wüssten.«
Ihre Erwiderung war unverblümt und nüchtern. »Ich müsste zur Befriedigung ihrer Gelüste herhalten.«
»Nun ja«, sagte Alejandro, etwas verwirrt von ihrer freimütigen Antwort, »ich zweifle nicht daran, dass sie ihren Hass an mir stillen würden, wüssten sie über mich das, was Ihr wisst. Ich werde um unser beider willen ganz besonders vorsichtig zu Werke gehen.«
Ihre Reisegefährten begannen nach und nach wieder aufzusteigen. Der Medicus rief nach Guillaume, dann nahm er die Zügel seines Pferdes auf. Als er sich von Philomène entfernte, blickte er noch einmal zurück und sagte: »Dann bis heute Abend.«
Der Hauptmann der englischen Garde drückte der Witwe des Böttchers einen Beutel Münzen in die Hand. Sie tat gar nicht erst so, als sei sie dankbar, sondern betastete und drückte den leinenen Beutel, um herauszufinden, wie hoch die Summe sein mochte, die er enthielt. Es war um einiges mehr als die dreißig Silberlinge, die für einen anderen Verrat standen. Ihre Überfahrt und die Gründung eines neuen Hausstandes in England waren gesichert, dort würde sie Zuflucht und Trost finden.
Er hat Avignon in aller Eile verlassen und den Knaben mit sich genommen. Ja, der Knabe hat goldenes Haar und blaue Augen. Ich weiß nicht, welche Richtung sie einschlugen, aber sie brachen vor einigen Tagen zu Pferd auf.
Sie steckte den Beutel in ihre Schürzentasche und machte sich unverzüglich auf den Weg zum Mietstall. Ich will mich der nächsten Reisegesellschaft, die nach Calais aufbricht, anschließen, sagte sie zu dem Stallbesitzer . Sie drückte ihm eine ihrer Münzen in die Hand und sagte ihm, wo er sie finden würde, wenn es so weit wäre.
Den größten Teil des Nachmittags verbrachten sie mit dem beschwerlichen Ritt von Cluny hinunter in die Ebene. Weiter im Westen lag die Stadt Digoin, die sie - mit etwas Glück - vor Sonnenuntergang erreichen würden. Als das Gelände flacher wurde, bildeten sich unter den Reisenden wieder Grüppchen,
da es nun nicht länger notwendig war, einer hinter dem anderen zu reiten wie in den felsigen Hügeln, wo es nur schmale Pfade gab. Die Reiter konnten wieder das eine oder andere Wort miteinander wechseln, ohne schreien zu müssen. Es war ein herrlicher Tag mit strahlendem Sonnenschein und einer leichten Brise, die ihre Nasen mit dem Duft der Wiesenblumen erfreute.
Alejandro spürte, dass seine Anspannung nachließ, nachdem er nicht mehr auf jeden Schritt achten musste, den sein Pferd tat. Der Grund für diese Reise machte ihm noch immer das Herz schwer, aber in diesem Moment schien die Last weniger zu wiegen als sonst. Als die Bewegungen des Pferdes gleichmäßiger wurden, schlief Guillaume gegen den Rücken Alejandros gelehnt ein. Die Arme des Knaben fühlten sich warm und angenehm an, so wie damals die von Kate, als sie in dem Alter gewesen war wie ihr Sohn jetzt. Ein Stück vor sich erblickte Alejandro Philomène inmitten ihrer Kameraden; sie suchte ihre Nähe, auch wenn sie sich damit begnügte, neben ihnen herzureiten, ohne sich an der Unterhaltung zu beteiligen.
Welches Geheimnis mochte sie veranlasst haben, diese für sie nicht ungefährliche Reise zu unternehmen? Alejandro dachte angestrengt darüber nach, kam jedoch zu keinem Ergebnis. Der Gedanke an das Stelldichein am Abend bot ihm immerhin eine willkommene Ablenkung von der Eintönigkeit des Ritts. Würde sie Frauenkleider tragen, wenn er sie aufsuchte? Er bezweifelte es. Sollte irgendein unvorhersehbares Ereignis es
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