Alejandro Canches 03 - Der Fluch des Medicus
wie das Tischtuch.«
Als Alejandro sich auf Zehenspitzen davonschlich, wusste er, dass er vor Sonnenaufgang zu dieser Tür zurückkehren würde, um zu sehen, wer die Frau war, die herauskommen würde.
Guillaume schlief noch, als Alejandro sich im Morgengrauen von seinem Strohlager erhob. Er suchte im Dunkeln seine Kleider und zog sich leise an; dann stahl er sich auf Zehenspitzen davon, ohne jemanden zu wecken. Wer auch immer sich in dieser Kammer aufhielt, so überlegte er, würde ebenfalls früh aufstehen, falls er etwas zu verbergen hatte. Er schickte ein Stoßgebet zum Himmel, dass niemand sonst zu dieser frühen Stunde unterwegs sein möge, und huschte durch die Gänge
und Flure zu der Kammer, an deren Tür er in der Nacht zuvor gelauscht hatte.
Er fühlte sich etwas unbehaglich, als er daran dachte, wie er sein Ohr an das Holz gepresst hatte. Was ging es ihn schließlich an, wenn eine Dame ein Bad nahm? Solche gesundheitsdienlichen Maßnahmen verdienten, gefördert zu werden, vor allem bei den stinkenden Franzosen. Er beruhigte sein schlechtes Gewissen damit, dass er sich sagte, es könnte sich um ein gefährliches Komplott handeln, irgendeine Art von Ränke unter den Soldaten, und Chauliac müsse davon unterrichtet werden, um seiner Sicherheit und des Erfolgs ihrer Reise willen. Sollte irgendetwas nicht mit rechten Dingen zugehen, würde er vor ihrem Aufbruch einen Weg finden, seinen Mentor zur Seite zu nehmen und ihm zu berichten, was er herausgefunden hatte, und mochte es auch noch so peinlich sein.
Er hörte, dass sich in der Kammer etwas regte; die Geräusche nahmen mit jeder Minute, die verstrich, zu. Dennoch kam es dem Medicus wie eine Ewigkeit vor, bis sich die Tür öffnete. Er trat ein paar Schritte zurück und beobachtete mit dem Rücken an die kalte Mauer gelehnt, wie die Bewohnerin der Kammer durch die Tür trat.
»Gütiger Gott«, sagte er laut zu dem kleinen Soldaten. »Ihr seid - eine Frau!«
Sie packte ihn mit erstaunlicher Kraft am Arm und zog ihn in die Kammer. Dann schloss sie rasch die Tür hinter ihm, drehte sich um und sah ihn an.
In tadellosem Französisch sagte sie zu ihm: »Und Ihr, Sir, seid ein Jude.«
Einen Moment lang verschlug es ihm die Sprache.
»Woher wisst Ihr das?«, fragte er schließlich.
»Woher wisst Ihr, welchen Geschlechts ich bin?«, fragte sie zurück.
»Ich - ich belauschte Euch letzte Nacht, indem ich mein Ohr an die Tür legte, als Ihr ein Bad nahmt. Ich hörte Eure Unterhaltung mit der Nonne.«
»Das verstehe ich nicht - was veranlasste Euch, so etwas zu tun?«
»Ich dachte, Ihr seid …« Er brachte es nicht über sich, ein englischer Spitzel zu sagen, so groß war seine Erleichterung, dass dies - wenn man ihrer Sprache trauen durfte - nicht der Fall war. »Das Tischtuch«, sagte er. »Eure Bewunderung für die Spitze erregte meinen Verdacht. Ich dachte, möglicherweise gehört Ihr zu den Männern, die an solchen Dingen Gefallen finden - davon gibt es viele, wie ich weiß -, aber ich konnte nicht glauben, dass Ihr zu ihnen gehört.«
»Ihr seid schlau«, sagte sie. »Ich werde vorsichtiger sein müssen, wenn mir etwas gefällt.«
»Da wir gerade bei Erklärungen sind …«, sagte er und trat einen Schritt näher an sie heran. »Einer solchen bedarf es auch hinsichtlich dessen, was Ihr gerade über mich gesagt habt.«
»Vater Guy teilte es mir mit.«
Er suchte in ihren Augen nach einem Hinweis darauf, wer dieser Mann, den sie soeben genannt hatte, sein mochte. Das Herz wurde ihm schwer; befand sich unter den Soldaten einer, der wusste, wer er war, und hatte dieser es einem der Mönche gesteckt? Gewiss wäre dem englischen König diese Botschaft eine stattliche Belohnung wert.
»Ich nehme an, Ihr meint damit einen der Mönche hier im Kloster«, sagte er. »Aber wie kann …?«
»Nein«, sagte sie. »Vater Guy. Euer Lehrer.«
»Vater Guy?« Einen Moment lang fehlten ihm die Worte. Dann sagte er: »Ihr könnt doch nicht Guy de Chauliac meinen.«
»Doch, das kann ich, und das tue ich.«
»Aber er ist kein Priester. Das weiß ich mit Bestimmtheit.«
»Nein, jetzt nicht mehr, aber er war es einst. Wie, glaubt Ihr, könnte er sonst einen solch vertrauten Umgang mit dem Heiligen Vater pflegen?«
Alejandro versuchte die verblüffende Mitteilung zu verdauen. »Man sollte annehmen, weil er der beste Arzt in Europa ist.«
Jetzt lachte die Frau; ein leises glockenhelles Lachen. »Ich glaube, er würde sagen, dass dieser ehrenvolle Platz Euch
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