Alejandro Canches 03 - Der Fluch des Medicus
Menschen in Orange, einschließlich der sechs Kinder - nach ihren Maßstäben eine kleine Stadt. Unter den Erwachsenen war eine erstaunlich große Bandbreite an Berufen vertreten, die in der neuen Zeit von unschätzbarem Wert waren: Schreiner, Maurer, Mechaniker, Landwirt, Elektriker - alles Berufe, die es bei ihnen nicht gab. Bei all dem Neuen, das auf sie wartete, vergingen die letzten Stunden des Nachmittags wie im Flug.
»Eine fortgeschrittene Gesellschaft«, flüsterte Michael ihr zu, als sie sich an den Abendbrottisch setzten. »Sie übertreffen uns bei Weitem.«
Janie fand es merkwürdig, dass er das sagte. Sie beugte sich zu ihm und sagte: »Ich glaube nicht, dass das ein Wettbewerb ist, Michael. Wir versuchen alle nur irgendwie zurechtzukommen.«
»Meinst du?«, sagte er. »Ich sehe das anders. Einen Selektionsvorteil für sich zu beanspruchen oder anzustreben ist der Wettbewerb schlechthin.« Er musterte kurz die Einwohner von Orange, die gerade um sie herum Platz nahmen. »Wie die Politik ist auch die soziale Evolution ein lokales Phänomen. Sie haben die Leute, mit denen sie ihre Bedürfnisse ganz leicht befriedigen können - womit wir zu kämpfen haben.«
»Du scheinst zu vergessen, dass der Grund für unser Hiersein etwas ist, das Kristina vollbracht hat. Da ist dieses kleine Mädchen, das ohne die Vorteile, die Kristina zu eigen sind, nicht überlebt hätte.«
»Natürlich haben sie nicht alles. Ich meine ja auch eher die handwerklichen Fähigkeiten, über die sie verfügen. Wäre es nicht schön, wenn wir nicht ständig improvisieren müssten, kaum dass etwas kaputtgeht oder nicht mehr funktioniert?«
Janie erinnerte sich daran, wie sich einmal eines der Windräder verkeilt hatte und nicht mehr drehte. Janie hatte von unten zugesehen, wie Tom auf den Mast geklettert war und festgestellt hatte, dass eines der Lager kaputt war. Sie war mit dem Werkzeug zu ihm hochgestiegen, und zusammen standen sie eine knappe Stunde in fünfzehn Metern Höhe, während der Januarwind um sie herumpfiff. Handschuhe hätten sie zu stark behindert; so aber hätten sie sich beinahe Erfrierungen an den Fingern geholt, bevor sie endlich fertig waren. Noch Tage danach schmerzten Janies Oberschenkel von der Anstrengung, auf der schmalen Strebe die Balance zu halten. Das Ganze hatte sie mehr erschöpft, als sie jemals gedacht hätte. Dabei wusste sie - besser als die meisten -, dass Teile an Maschinen und an Menschen verschleißen konnten; das ließ sich einfach nicht verhindern. »Du hast recht, das wäre schön«, bekannte sie.
Er schob seinen Stuhl näher an den Tisch heran. Als hätte er ihre Gedanken gelesen, sagte er: »So fängt der Handel an. Sie reparieren Windräder, wir stellen Insulin her. Technik«, sagte er und drehte eine Handfläche nach oben, »gegen Pharmazie.« Grinsend drehte er die andere Handfläche nach oben. »Sieh dich um«, sagte er, und sein Blick wanderte über die freundlichen, tatkräftigen Leute, die inzwischen alle Platz genommen hatten. Er beugte sich näher zu Janie vor. »Heute Abend sind wir zur Abwechslung mal eine Handelsdelegation. Sehen wir, was passiert.«
»He Boss, da ist was reingekommen!«
Bruce legte seine Laborinstrumente beiseite und folgte Fredo in die Kommunikationszentrale. Dort angelangt, setzte sich Fredo vor den Computer und gab ein paar Befehle ein, während
Bruce hinter ihm stand und zusah, wie die Codezeilen über den Bildschirm rollten.
»Es braucht einen Moment«, sagte Fredo. »Erst muss ich durch den ganzen Mist im Header scrollen, bis wir bei der eigentlichen Nachricht sind. Wenn du sie gelesen hast, möchte ich dir noch etwas zeigen. Das kann ein bisschen dauern.«
Nachdem ganz wesentliche Pfade einfach fehlten, waren die Routen, die jede elektronische Nachricht nehmen musste, lang und umständlich. »Die Maschinen, die die Verbindungen hergestellt haben, sind wahrscheinlich außer Betrieb«, erklärte Fredo. »Ich war bestimmt nicht der Einzige, der damals Bauteile gesucht hat.«
Die Spyware, die Fredo in den digitalen Kosmos geschickt hatte, hatte sich mittlerweile irgendwo niedergelassen, aber bislang war er noch nicht imstande gewesen, herauszufinden, wo genau. Es gab keine Vergabestellen für Domains mehr, die hätten sagen können, wo sich der zu einer bestimmten URL gehörende Rechner befand.
Endlich liefen die letzten Codezeilen über den Bildschirm, und der Cursor blinkte am Anfang eines Textblocks.
»Wurde auch Zeit«, sagte Fredo. »Sieh dir
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