Alejandro Canches 03 - Der Fluch des Medicus
Die Welt da draußen ist brutal.«
»Das wissen wir«, erwiderte Michael.
»Also … was meinen Sie dazu?«
Janie und Michael tauschten einen Blick aus.
»Wir würden das gern kurz besprechen«, sagte Janie. Sie erhoben sich und gingen ins Bibliothekszimmer.
Michael ergriff als Erster das Wort. »Meiner Meinung nach brauchen wir gar nicht lange zu überlegen. Es hört sich für mich ausgesprochen vernünftig an.«
»Das stimmt«, sagte Janie, »aber ich müsste immer wieder für einige Zeit von meiner Familie weg.«
»Genau wie einige Leute von hier«, gab Michael zurück. »Ich glaube allerdings nicht, dass das eine wöchentliche Veranstaltung werden würde, Janie. Alle zwei Monate ein paar Tage, so wie früher die fahrenden Ärzte.« Zur Bekräftigung fügte er noch einen Vergleich hinzu, der ihr zu Herzen ging, wie er sehr wohl wusste. »Wie es die Tochter des alten Alejandro getan hat, in dem Journal.«
Dass er das aufbrachte, war nicht fair, und sie sagte nichts dazu. »Was haben wir dabei zu gewinnen?«
»Ein besseres Leben«, sagte er schlicht.
Selbst wenn sie sich angestrengt hätte, hätte sie im Grunde kein schlagendes Gegenargument vorbringen können. »Im Höchstfall einmal im Monat«, sagte sie. »Ich werde heute Abend und morgen früh Sprechstunde halten, dann reiten wir zurück.«
»Das hört sich vernünftig an.«
Sie kehrten an den Tisch zurück und präsentierten ihre Vorschläge, die, wie sie erwartet hatten, freudig akzeptiert wurden.
»Nun«, sagte Janie zu dem Mann mittleren Alters, der vor ihr saß, »Sie scheinen mir gesund wie ein Pferd zu sein.«
Er war der Zimmermann. »Muss mit der vielen Arbeit an der frischen Luft zu tun haben, schätz ich mal.«
»Da haben Sie wahrscheinlich recht. Das einzige Problem, das Sie haben, ist offenbar diese leichte Sehnenentzündung.« Sie umfasste erneut sein Handgelenk und klopfte es vorsichtig ab. Der Zimmermann zuckte zusammen.
»Ich kann es schienen, wenn Sie das möchten.«
»So schlimm ist es nicht.«
»Warten Sie’s ab, meistens fängt es ganz harmlos an.«
»Wie lange müsste ich die Schiene tragen?«
»Das hängt von Ihnen ab. Ein paar Tage, dann können Sie sie abnehmen und sehen, wie es geht.«
»Und ich kann damit arbeiten, oder? Ich möchte nichts liegen lassen von den Sachen, die ich schon angefangen habe.«
»Wenn Sie vorsichtig sind. Aber es wäre besser, wenn Sie den Arm ruhig hielten, damit die Entzündung zurückgehen kann. Wärme und Feuchtigkeit helfen. Wenn Sie Schmerzen haben, können Sie ein mit warmem Wasser angefeuchtetes Handtuch um Ihr Handgelenk wickeln.«
»Kann ich nicht auch irgendetwas einnehmen - irgendwelche Kräuter zum Beispiel?«
»Weiße Weidenrinde hilft. Es sind Salizine darin enthalten, die in ihrer chemischen Zusammensetzung Aspirin ähneln.« Sie wollte schon hinzufügen, dass sie bei ihrem nächsten Besuch Aspirin mitbringen könnte, hielt sich dann aber zurück. Sie hatte festgestellt, dass der Medikamentenvorrat von Orange nahezu erschöpft war und es beispielsweise nur noch zwölf Aspirin-Tabletten gab - alte, halb zerkrümelte, graue Exemplare, die sozusagen für schlechte Zeiten aufbewahrt wurden. Janie bezweifelte, dass diese Antiquitäten noch wirkten; viele chemische Verbindungen hatten die unangenehme Eigenschaft, im Laufe der Zeit zu zerfallen, und dazu gehörte auch Aspirin. Aber auch wenn die Stoffe, die für die Synthese von Aspirin nötig waren, buchstäblich auf Bäumen wuchsen, müsste Kristina einige Zeit im Labor verbringen, um es herzustellen. Sie sollten abwarten, wie sich das Bündnis entwickelte, und danach entscheiden, wie viel sie abgeben wollten.
In der vorhergehenden Nacht hatten sie und Michael vor dem Zubettgehen ausführlich über dieses neue Bündnis gesprochen.
Wir sollten es langsam angehen lassen, hatte sie gesagt. Wir
müssen sicher sein, dass wir genug für uns selbst haben, bevor wir anderen etwas geben.
Sie führen garantiert in genau diesem Moment eine ganz ähnliche Diskussion, hatte er erwidert. Du hast natürlich recht, wir sollten kleine Schritte machen. Es wird sich alles mit der Zeit einspielen.
»Ich verzichte wohl auf die Schiene«, sagte der Zimmermann und stand auf. »Aber ich werde aufpassen.«
»Darauf bestehe ich«, sagte Janie lachend. »Es wartet nämlich bei uns ein beschädigtes Tor auf Sie.«
Die Kinder in Orange schienen alle von außerordentlich guter Gesundheit zu sein. Sie befragte die Erwachsenen detailliert nach
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