Alera 02 - Zeit der Rache
die entkräfteten Soldaten vor ihm fügte er noch hinzu. »Und gönnt Euren Männern ein wenig Ruhe.«
»Habt acht!«, knurrte Galen, und die müden Kämpfer richteten sich auf. »Zieht Euch in Eure Quartiere zurück. Ihr habt sechs Stunden.«
Dann begab sich Galen ins Wachzimmer, um andere anzuweisen, die Bataillonskommandanten zusammenzurufen.
Ich starrte Cannan an und mir war klar, dass es jetzt keine so abwegige Sache mehr war, dass unser König in die Hände der Cokyrier fiele.
Die Soldaten zogen sich zurück, einige in Richtung ihrer Unterkünfte in der Kaserne, andere zu ihren Quartieren im Ostflügel, wieder andere folgten Galens anderslautenden Befehlen. Als die Halle sich geleert hatte, richtete Cannan noch einmal das Wort an seinen Haushofmeister.
»Zur Hölle mit der Heimlichtuerei«, sagte er, und allein schon die Tatsache, dass er fluchte, sprach Bände über den Grad der Gefahr, den er nun vermutete. »Steldor muss gefunden werden, auf der Stelle. Es ist an der Zeit für eine größere Truppenverlegung.«
»Eure Hoheit!«
Ich hörte den Ruf und sah mich unwillkürlich um, konnte aber niemanden entdecken, der nach meiner Aufmerksamkeit verlangte. Als die Palasttore weit aufschwangen, erkannte ich, dass der Ruf von draußen gekommen und gar nicht an mich gerichtet gewesen war.
Steldor stapfte herein und machte Anstalten, an uns vorbei und die Prunktreppe hinaufzugehen. Dabei reagierte er auf unser ungläubiges Starren gerade mal mit einem Kopfnicken. Sein Erscheinen war so unwirklich, dass ich beinahe damit rechnete, die Einzige zu sein, die ihn sehen konnte. Es hätte mich nicht gewundert, wenn Cannan und Galen ihre Unterhaltung darüber, wie er aufzuspüren wäre, wieder aufgenommen hätten, sobald er die Stufen hinaufverschwunden war.
Ich stand wie erstarrt und erwartete, dass Cannan seinen Sohn aufhielt, doch zu meinem Erstaunen war es nicht der Hauptmann, der vortrat und Steldor ansprach. Es war Galen.
»Wo zur Hölle willst du hin?«
Galen blieb ein paar Schritte vor dem Treppenabsatz stehen und funkelte wütend zu seinem besten Freund hinauf. Steldor drehte sich um und ging langsam wieder herunter. Ich nahm an, Cannan würde sich einmischen und den Haushofmeister davon abhalten, den König zur Rede zu stellen. Aber das schien ihm nicht in den Sinn zu kommen.
»In die Hölle, in die es mir beliebt«, erwiderte Steldor merklich dünnhäutig und erschöpft.
»Mit mir redest du nicht so.« Der ebenso erschöpfte Galen nahm an Steldors Antwort Anstoß. In kaum verhohlenem Zorn ballte er die Fäuste und biss die Zähne zusammen. »Es ist mir vollkommen gleich, wie du mit jedem anderen redest, aber nicht mit mir, nicht nach allem, was du uns angetan hast.«
»O Verzeihung«, erwiderte Steldor mit falscher Freundlichkeit. »Wie wär’s denn damit? Du bist aus allen Diensten entlassen.«
Einmal ausgesprochen ließen sich die Worte nicht mehr zurücknehmen. Ob Steldor sie überhaupt bedauerte, war schwer zu sagen, denn sein Ausdruck blieb kampflustig. Galen war inzwischen noch aufgebrachter als zuvor und schien am ganzen Körper zu zittern. Als die Anspannung in der Halle so groß war, dass man meinte, die Wände bersten zu hören, verlor Galen vollends die Beherrschung.
»Du Bastard!«, brüllte er, und dann krachte eine seiner Fäuste auf Steldors Kiefer und schickte den König zu Boden.
Ich holte erschrocken Luft und warf einen raschen Blick auf Cannan, der keinerlei Anstalten machte, etwas zu unternehmen, sondern das ganze Spektakel lediglich mit gehobener Braue betrachtete. Galen stand über seinem Freund und keuchte vor Anstrengung, während er sich mühte, seinen Zorn im Zaum zu halten und Steldor sich ungläubig das Kinn rieb und zu schockiert schien, um zu irgendeiner Entgegnung in der Lage zu sein.
»Du bist selbstsüchtig bis ins Mark!«, polterte Galen, und zu meiner Überraschung blieb Steldor liegen und starrte ihn nur stumm an. »Du entziehst dich allem, wenn die Dinge ein wenig komplizierter werden, als es dir zusagt, und lässt uns dein Verschwinden verheimlichen, damit nicht das ganze Tal sofort weiß, dass Hytanica − verdammt noch mal − soeben seines Königs verlustig gegangen ist. Inzwischen dringen die Cokyrier im Norden auf unser Gebiet vor, sodass es ziemlich wahrscheinlich ist, dass du ihnen direkt in die Arme läufst. Wir haben da draußen Männer, die immer noch nach dir suchen, Männer, die eigentlich helfen sollten, die Nordgrenze zu sichern – um dafür
Weitere Kostenlose Bücher