Alera 02 - Zeit der Rache
Hauptmann der Garde, zugutehielt, die Cokyrier im letzten Krieg zurückgeworfen zu haben. Häufig fanden Besprechungen unter der Beteiligung des Hauptmannes, des Königs, der Hauptmannstellvertreter, des Haushofmeisters, des Stadtkommandanten, des Obersten Kundschafters und diverser Bataillonskommandanten im Strategieraum statt.
Steldor und ich hatten seit seiner Rückkehr nicht mehr miteinander gesprochen, so blieb neben den Sorgen aufgrund des Krieges noch die Tatsache, dass ich versucht hatte, Narian heimlich zu treffen, unangesprochen. Ich fühlte mich wie eine Närrin und bereute mein Verhalten zutiefst, dennoch hatte ich Angst, das Thema ihm gegenüber anzuschneiden. Vielleicht war es mir auch viel eher ein Anliegen als ihm, den Vorfall abzuschließen, denn natürlich hatte er andere, viel drängendere Probleme, die seiner Aufmerksamkeit bedurften – unter anderem die Versöhnung mit Galen.
Als Cokyri knapp ein Jahr zuvor versucht hatte, sich Narian zurückzuholen, hatte ich einen kurzen Vorgeschmack auf das Leben in einem Königreich bekommen, das sich im Krieg befand. Und auch wenn ich damals unter den Umständen schon ebenso gelitten hatte wie jeder andere, war das wirklich kein Vergleich zu den gegenwärtigen Zuständen. Dieser Tage sah man kaum einen Mann mehr lächeln. Immer mehr Frauen verloren Ehemänner, Brüder und Söhne, und ich meinte, auch wenn mir das niemand so direkt sagte, zu erkennen, dass die Kämpfe zunehmend brutaler wurden. Die Bevölkerung wusste nicht, was wir, der innerste Zirkel im Palast, wussten, aber dennoch verbreitete sich die Befürchtung, die Legende könne sich bewahrheiten. Dann wäre dies der Anfang vom Ende Hytanicas.
Mitten in der stetig wachsenden Anspannung kam meine Mutter mit einem Vorschlag zu mir. Sie besuchte mich in meinem Salon, der nun mein Arbeitszimmer war, davor jedoch jahrelang ihr selbst als solches gedient hatte. Ich nahm neben ihr auf dem Sofa vor dem Erkerfenster Platz und hatte keine Ahnung, was sie von mir wollen mochte. Traurig stellte ich fest, dass ihr honigblondes Haar seinen seidigen Schimmer eingebüßt hatte und auch ihre blauen Augen nicht mehr wie früher strahlten.
»Wie schön, Euch zu sehen, Mutter«, eröffnete ich die Unterhaltung, doch sie blickte nur abwesend an mir vorbei in den östlichen Innenhof. Ich fragte mich, ob sie dort etwas anderes sah als den bewölkten Himmel, kahle Bäume und verwelkte Blumen.
»Es war schon immer die Aufgabe der Königin, die jungen adligen Damen des Reiches zusammenzubringen«, begann meine Mutter und wandte mir ihren Blick wieder zu. »Das letzte derartige Ereignis fand kurz vor deiner Hochzeit statt, also wäre es vielleicht an der Zeit zu überlegen, ob du nicht selbst als Gastgeberin in Erscheinung treten möchtest. Ich hielte eine Einladung zum Tee für angemessen.«
Meine Mutter hatte oft zu gesellschaftlichen Anlässen gerade an dem Ort eingeladen, den sie vorhin so traumverloren betrachtet hatte, im stattlichsten der drei Innenhöfe. Dort bildete ein großer zweistöckiger Springbrunnen den Mittelpunkt einer mit bunten Steinen gepflasterten kreisförmigen Terrasse. Diese war exakt zu diesem Zweck angelegt worden und schon Schauplatz zahlreicher Gartenfeste, Verlobungsfeiern, Picknicks und Sommerkonzerte gewesen. Gleichzeitig war mir die Pikanterie einer gesellschaftlichen Veranstaltung in Zeiten des Krieges deutlich bewusst, und ich konnte nicht anders als mich fragen, ob die Trauer meiner Mutter ihr Urteilsvermögen beeinträchtigt hatte. Oder hatte möglicherweise die Nachricht von Mirannas relativ menschlicher Behandlung in Cokyri ihr Gemüt so weit aufgeheitert, dass ihr eine sonst übliche Veranstaltung angemessen erschien? Als hätte sie meine Gedanken gelesen, lieferte sie mir sogleich eine Erklärung.
»Wir Frauen können ja nichts zur Verteidigung unseres Landes beitragen, aber wir vermögen auf andere Weise Trost zu spenden. In Zeiten wie diesen verspürt schließlich jeder das Bedürfnis, Freunde und andere liebe Menschen um sich zu scharen.«
Es stimmte, ich hatte seit der Entführung meiner Schwester keine meiner Freundinnen mehr gesehen, und so betrachtet war der Zeitpunkt für ein solches Ereignis richtig gewählt. Viele der Mädchen waren inzwischen verlobt. Es hatte eine regelrechte Welle gegeben, unmittelbar nachdem Steldor den Junggesellenstand verlassen hatte.
»Ich werde darüber nachdenken, Mutter«, versprach ich ihr.
Sie blieb noch einen Moment lang schweigend
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