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Alera 02 - Zeit der Rache

Alera 02 - Zeit der Rache

Titel: Alera 02 - Zeit der Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cayla Kluver
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Halias kehrte schon nach vier Stunden zurück. Ohne Umschweife erklärte er, dass er einen cokyrischen Soldaten dazu gebracht hatte, die Nachricht weiterzuleiten. Ich verdrängte meine Furcht vor der Rolle, die ich zu spielen hätte, noch, da London und ich erst am nächsten Morgen aufbrechen würden. Doch jedes Mal, wenn ich meiner Phantasie erlaubte, sich mit dem verschwommenen Bild des Overlords zu befassen, das ich im Kopf hatte – eine massige, furchterregende Gestalt –, erfasste mich Grauen. Eine Hälfte von mir erging sich sodann in denselben mörderischen Gedanken, die ich schon kannte, und dem Wunsch, ihm zu zeigen, dass er mich nicht bezwingen konnte; meine andere Hälfte wollte sich dagegen verstecken, ihn glauben machen, ich sei bereits tot, damit er mich nicht weiter verfolgte. Ich wusste nicht zu sagen, welche Hälfte sich letztlich durchsetzen würde.
    Es war schon spät in der Nacht, doch der Schlaf wollte sich nicht einstellen, also erhob ich mich von meinem Lager und setzte mich ans Feuer. Zu meiner Überraschung wich Cannan zum ersten Mal seit Tagen von Steldors Seite, um sich zu mir zu gesellen. Seine Miene verriet, dass er mir etwas zu sagen hatte. Die Hohepriesterin lag wieder gefesselt und ein ganzes Stück von seinem Sohn entfernt am Boden. Daher hatte auch der Hauptmann ein wenig Bewegungsfreiheit, aber ich wusste, er würde dennoch nicht riskieren, dass Steldor allein aufwachte und orientierungslos wäre. Was auch immer er mir zu sagen hatte, es musste wichtig sein.
    »Ich habe Euren Onkel gekannt«, begann er leise. Er wollte wohl den Schlaf der anderen nicht stören, denn ich bezweifelte, dass er ein wirklich privates Gespräch mit mir führen würde. »Er war der Kronprinz von Hytanica und mein bester Freund. Er wurde hoch geschätzt und hätte einen großartigen König abgegeben, einen, der in die Geschichte eingegangen wäre. Stark, unbeugsam, intelligent und ohne Furcht, wen auch immer herauszufordern, selbst seinen eigenen Vater.« Er lächelte schwach, wohl weil er sich an Anekdoten erinnerte, die ich nie erfahren würde. »Er war mitfühlend und verwegen, Alera – Eigenschaften, die letztlich zu seinem Tod geführt haben, aber ohne die er eben nicht er selbst gewesen wäre.«
    Während Cannan in die Flammen starrte, begann ich mich zu fragen, warum er mir das wohl erzählte. Dann suchte sein Blick erneut den meinen und er fuhr fort.
    »Ich erkenne ihn in Euch, Alera. Ihr habt sein Naturell. Daher weiß ich auch, dass Ihr diese Aufgabe meistern werdet. Ihr werdet Euch vom Overlord nicht bezwingen lassen, sondern ihm die Stärke zeigen, die in unserem Königreich, im Blut Eurer Königsfamilie steckt. Ihr werdet ihm diesen Moment der Unsicherheit bereiten, der uns das Tor zum Sieg öffnet.«
    Seine Augen hielten meine noch kurz fest, dann stand er auf und kehrte an Steldors Seite zurück. Die Zweifel, die mich bis dahin geplagt hatten, waren zerstreut, und ich wusste, dass ich dem Overlord bei unserer Begegnung am Morgen würdevoll entgegentreten würde. Ich durfte all diese mutigen Männer nicht enttäuschen.
    Ich hatte Cannans Worte und sein Vertrauen präsent, als London und ich in der Morgendämmerung zu einer Lichtung in den Wäldern westlich meiner Heimatstadt aufbrachen. London hatte den Ort mit Bedacht gewählt – nah genug, um gut erreichbar zu sein, fern genug, um unsere Höhle geheim zu halten. Außerdem gab es dort einen günstigen Aussichtspunkt, von dem aus man die Lichtung überblicken konnte, denn er traute dem Overlord nicht im Geringsten. Galen, der berühmt für sein Talent als Bogenschütze war, bezog dort bereits vor uns Stellung, um uns Deckung zu geben.
    Die Verhandlung war für den Mittag angesetzt, und London wusste zwei Dinge mit Gewissheit: Dass der Overlord persönlich erscheinen würde und dass es unklug wäre, zu spät zu kommen. Wie London trug auch ich Reithosen und ein Lederwams sowie darüber einen Umhang. Mit meinem kurzen Haar und der deutlich zu großen Kleidung hatte ich wahrscheinlich mehr Ähnlichkeit mit einem Jungen als mit einer Königin.
    Wir legten die halbe Strecke zu Pferde zurück, den Rest zu Fuß, denn London wollte nicht einmal riskieren, dass unsere Art der Fortbewegung Aufschluss über den Ort unseres Unterschlupfes gab. Der Elitegardist kontrollierte den Platz der Zusammenkunft, der etwa hundert Fuß im Durchmesser maß, laubbedeckt und mit Schneeflecken durchsetzt war. Rundherum standen dicke Bäume, hauptsächlich Eichen und

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