Alera 02 - Zeit der Rache
Ulmen, einige Föhren und fast undurchdringliches Unterholz. Dann setzten wir uns, die Lichtung im Blick, aber selbst schwer zu sehen, und warteten.
Es verging etwa eine Stunde. Wir hatten uns die Kapuzen unserer Umhänge über die Köpfe gezogen und wurden langsam steif vor Kälte, als Hufschlag durch das Unterholz an unsere Ohren drang. Mein Herz drohte zu explodieren, aber ich versuchte, ruhig zu atmen. Schließlich war ich entschlossen, dem Overlord die Stärke unseres Reiches zu demonstrieren.
Ich konnte unsere Feinde zwar noch nicht sehen, doch ich hörte mehr als ein Pferd sich nähern.
»Ich dachte, er würde allein kommen!«, flüsterte ich.
London presste einen Finger an seine Lippen und brachte mich so zum Schweigen, als auch schon eine kraftvolle Stimme durch die Bäume schallte.
»Du versteckst dich vor mir wie ein Feigling! Tritt vor, damit ich dich sehen kann, London. Ich weiß, dass du da irgendwo steckst.«
Ich schluckte die Galle, die in mir aufstieg, wieder hinunter, während London sich aus seiner geduckten Haltung aufrichtete und furchtlos auf die Lichtung hinaustrat. Am liebsten hätte ich mich wie der Reif zu meinen Füßen an die Erde geschmiegt, doch ich folgte seinem Beispiel, so gut ich es vermochte, und schob gleichzeitig mit ihm meine Kapuze zurück.
Uns gegenüber stiegen zwei ganz in schwarz gekleidete mit Umhängen versehene Cokyrier von ihren Pferden. Mein Herz machte einen Satz, als ich in einem von ihnen Narian erkannte. Der andere war ein hochgewachsener Mann, der eine schwarze Tunika über einem silbernen Kettenhemd und metallenen Armschienen trug. Seine Schultern schienen breit genug, um die Sonne zu verdunkeln. Aber er war nicht so massig, wie ich ihn mir vorgestellt hatte. Seine Bewegungen wirkten fließend, auf schaurige Weise graziös, während er neben seinem riesigen schwarzen Schlachtross stand. Sein Haar war so rot wie das seiner Schwester, aber länger und im Nacken zusammengefasst. Seine grünen Augen waren wie die ihren, wobei das Bemerkenswerteste daran nicht ihre Tiefe, sondern ihre Härte und Grausamkeit waren. Selbst das Laub schien vor Angst unter seinen Schritten zu erzittern, und es ging eine Kälte von ihm aus, die nichts mit der Witterung zu tun hatte, sondern die allem, das damit in Berührung kam, die Lebenskraft aussaugte. Er war die erste Person, die mir je begegnet war, der alles Menschliche zu fehlen schien.
Narian war von seinem etwas kleineren dunkelbraunen Pferd gestiegen und folgte seinem Herrn und Meister mit geringem Abstand. Auch wenn er weiter gewachsen und kräftiger geworden war und durchaus eindrucksvoll aussah, waren seine Haltung und sein Auftreten nicht so einschüchternd wie die des Overlords. Der Kriegsherr hatte etwas an sich, das alles in seiner Umgebung schrumpfen und zittern ließ.
»Da bist du ja«, höhnte der Overlord und starrte meinen Begleiter finster an.
»Ja«, erwiderte London nur mit stahlharter Stimme. »Und daher kannst du davon ausgehen, dass nichts hier eine Finte ist.«
Der Kriegsherr knurrte wütend und schleuderte abrupt einen Arm in Londons Richtung. Der stellvertretende Hauptmann schrie auf, fiel auf Hände und Knie, während ich wie angewurzelt dastand. Zu erschrocken, um zu reagieren oder ihm zu Hilfe zu kommen. London fiel vor Schmerz stöhnend zur Seite, und erst dann ließ unser Feind von ihm ab.
»Ich hätte dich schon vor langer Zeit töten sollen«, giftete er und rührte sich nicht. Sein Opfer keuchte.
Ich verspürte den Drang, fortzulaufen, mich in Sicherheit zu bringen, mich nicht einmal mehr um London zu kümmern und wahrscheinlich hätte ich das auch getan, hätte ich nicht das aufflackernde Gefühl in Narians blauen Augen entdeckt. Ich wusste nicht, ob es Stolz, Liebe oder Bewunderung war, aber es genügte, um mich an Ort und Stelle festzuhalten. Ich starrte ihn an, nahm etwas von seiner Ausstrahlung in mich auf und fühlte, wie mein Selbstvertrauen zurückkehrte.
Der Overlord hatte inzwischen begonnen, vor uns auf und ab zu stolzieren, doch er kam nicht näher. Und diese Kleinigkeit sagte mir, dass wir momentan die Oberhand hatten. Der Kriegsherr war wütend, aber er würde seine Schwester nicht in Gefahr bringen wollen.
Ich trat einen Schritt vor London, um unserem Widersacher aus plötzlich erwachtem Trotz die Stirn zu bieten.
»Und wer bist du?«, fragte er verächtlich.
»Ich bin die Königin von Hytanica«, antwortete ich mit fester Stimme und hoch erhobenen Hauptes. »Das Leben
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