Alera 02 - Zeit der Rache
Narian erneut zu Boden ging und ich einen kleinen Schreckenslaut nicht unterdrücken konnte.
»Du bist mir nicht mehr von Nutzen, Narian«, knurrte der Overlord. »Das wäre Grund genug für mich, dich zu töten. Und solltest du dich noch ein einziges Mal einmischen, werde ich das auch ganz sicher tun.«
Ich sah, dass Narian Blut über die Wange lief. Offenbar hatte der Ring des Overlords, den er vermutlich London abgenommen hatte, ihm eine Wunde gerissen.
»Dann solltet Ihr Euch besser beeilen, denn ich werde nicht zulassen, dass Ihr sie angreift!«
Ohne ein Wort zu erwidern, zog der Kriegsherr sein Schwert.
»Trimion!«
Aus der Stimme der Hohepriesterin klangen Unglaube und Wut, und ihr Bruder wandte den Kopf. Das gab dem am Boden Liegenden exakt den nötigen Moment, um das Schwert mit einem Fußtritt aus der Hand des Overlord zu schlagen. In hohem Bogen flog es ins Unterholz, und Narian verlor keine Zeit, sondern sprang wieder auf die Füße.
»Ich brauche kein Schwert, um dir dein Ende zu bereiten, du Welpe«, höhnte der Overlord und ballte seine nun leeren Hände zu Fäusten. Mit einem furchterregenden Schrei schleuderte er einen unsichtbaren Zauber in Richtung seines widerspenstigen Mündels, das jedoch zur Seite sprang und sich über den Boden wegrollte, um der Macht seines Meisters nicht zum Opfer zu fallen.
»Kein Schwert«, stieß Narian keuchend hervor, der mit einem Knie am Boden blieb, um rasch reagieren zu können, »aber Ihr müsst Euch mich mit Magie vom Leib halten.«
Die Lippen fest aufeinandergepresst, die Augen zusammengekniffen, ging der Overlord entschlossen auf ihn zu, um sich gegen diese Unterstellung zu wehren. Narian kam inzwischen wieder auf die Beine und zog sein Schwert, während er wohl rasend schnell die Vor- und Nachteile eines solchen Kampfes abwog. Zu meinem Erstaunen hob er das Schwert jedoch nicht zum Angriff, sondern stieß es vor sich mit der Spitze in die Erde. Anscheinend wollte er auf die Waffe verzichten, da auch sein Meister über keine solche mehr verfügte. Der Overlord grinste höhnisch über das freiwillige Opfer seines Truppenkommandanten und schien den gleichen Schluss daraus zu ziehen. Umso unerwarteter traf es ihn und er fiel flach auf den Rücken, als Narian den Schwertknauf mit beiden Händen packte und sich daran hochschwang, um seinem Gegner einen mächtigen Tritt vor die Brust zu verpassen.
Narian landete geschmeidig und zog sein Schwert aus der Erde, doch auch der Overlord hatte sich rasch wieder gefangen und war bereits auf den Knien. Narian stürmte mit erhobener Klinge auf ihn zu. An seiner entschlossenen Bewegung und der vollkommenen Konzentration konnte ich ablesen, wie sehr ihm davor graute, die Oberhand zu verlieren, aber ich war mir nicht sicher, ob er sie zwingend verlieren würde. Da wehrte der Overlord das Schwert mit einer seiner metallenen Armschienen ab, schlug es mit einem Knurren weg und traf Narian mit der Faust so heftig, dass dieser bäuchlings zu Boden ging.
Nachdem er sich wieder aufgerichtet hatte, hielt der Overlord Narian davon ab, sich ebenfalls zu erheben, indem er einen Fuß auf den Rücken des jungen Mannes stellte.
»Dann wollen wir doch mal sehen, was du mit einem gebrochenen Kreuz gegen mich ausrichtest, Junge«, tönte er und weidete sich daran, wie seine Beute versuchte, sich von ihm zu befreien.
Ich atmete keuchend, hatte eine Hand vor den Mund geschlagen und versuchte, nicht zu schreien. O Gott, nein, nicht sein Rücken. Steh auf, Narian, steh auf, irgendwie, bitte … Der Overlord hob den Fuß ein wenig an, um mit voller Kraft auf ihn einzutreten, doch das genügte Narian, um mit seiner rechten Hand nach hinten zu schlagen und seinen Meister mit der Zauberkraft zu treffen, die ihm die Legende vom blutenden Mond verliehen hatte. Als der Overlord seitwärts taumelte, erhob Narian sich, spuckte Blut und machte sich nicht einmal die Mühe das Rinnsal fortzuwischen, das ihm aus der Nase lief.
Auch wenn Narian sich seine Magie als letzte Rettung aufgespart hatte, kochte der Overlord. Nachdem er seinen Meister zuerst der Feigheit bezichtigt hatte, erwies sich der Junge selbst als Heuchler, indem er sich ebenfalls der Magie bediente. Als ich sah, wie der Kriegsherr den Mund verzog, da wusste ich, dass Narian in noch größerer Gefahr schwebte als zuvor. Narian schien das auch zu wissen, denn ursprünglich hatte er ja versucht, die Zauberei aus diesem Kampf herauszuhalten.
Von jeglicher Zurückhaltung befreit ließ der
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