Alex Benedict 01: Die Legende von Christopher Sim
diesem globalen Ozean waren, auf die ein Mensch den Fuß setzen konnte. Doch jedem, der seitdem hinter den unsichtbaren Mauern stand, die nun das Meer zurückhalten, und zu den schattenhaften Formen hinaufschaute, die durch das hellgrüne Wasser gleiten, erscheint der Name, unter dem der Planet heute bekannt ist, wesentlich treffender.
Fischschüssel.
Eine Welt. Ein sichelförmiger Landwall, der sich aus dem Meer erhebt. Ein Geisteszustand. Die Bewohner behaupten stolz, kein anderer Planet in oder außerhalb der Konföderation rufe dasselbe Gefühl von Sterblichkeit hervor wie Fischschüssel.
Kaum halb so groß wie Rimway, ist der Planet nichtsdestotrotz massiv: Seine Schwerkraft beträgt 0,92 Standard. Er umkreist Gideon, eine uralte Sonne der Klasse G, die wiederum in einer jahrhundertelangen Umlaufbahn Heli umkreist, einen grellweißen Riesen. Beide Sonnen haben Planetensysteme, nicht ungewöhnlich bei Binärsternen, wenn die beiden Haupthimmelskörper beträchtlich voneinander entfernt sind. Doch dieses binäre System ist auf grundlegende Weise einzigartig: es war einmal die Heimat einer intelligenten Spezies. Der vierte Planet von Heli ist Belarius, der fünfzigtausend Jahre alte Ruinen beherbergt und – bis zum Auftauchen der Ashiyyur – der einzige Beweis für die Menschheit war, daß je ein anderes intelligentes Wesen zu den Sternen hinaufgeschaut hat.
Belarius ist ein unglaublich wilder Planet, eine Welt üppiger Urwälder, erdrückender Feuchtigkeit, ätzender atmosphärischer Gase, hoher Schwerkraft, hochentwickelter Raubtiere und unvorhersagbarer Magnetstürme, bei denen sämtliche Instrumente verrückt spielen.
Es ist nicht die Art von Welt, auf der man mit seiner Familie Urlaub machen würde.
Fischschüssel war der einzige Planet mit günstigen Lebensbedingungen in beiden Systemen und nahm daher von Anfang an eine strategische Rolle in den Überlegungen des Vermessungsamts ein. Als Harry Pellinor ihn vor drei Jahrhunderten entdeckte, tat er ihn als prinzipiell wertlos ab.
Doch da hatte er noch nicht Belarius gefunden; diese Katastrophe stand ihm noch bevor. Und es war die letztere Entdeckung, die Fischschüssel seine historische Rolle als Verwaltungshauptquartier, Versorgungslager und Urlaubsort für die zahlreichen Missionen einbrachte, die versuchten, der anderen Welt ihre Geheimnisse zu entreißen.
Heutzutage war die Erkundung von Belarius natürlich schon längst aufgegeben worden. Doch Fischschüssel ist noch immer ein bedeutender Posten der Vermessungsverwaltung und dient als regionales Hauptquartier. Als wohlhabender Urlaubsort rühmt sich die Welt einer bedeutenden Universität, zahlreicher Zwischenweltindustrien und des bekanntesten ozeanographischen Forschungszentrums der Konföderation. Zur Zeit meines Besuchs war sie von etwas mehr als einer Million Menschen bewohnt.
Einer davon war Hugh Scott.
Harry Pellinors Statue steht auf der Zentralspirale der Exekutivgebäude. Sie ist gerade so hoch, daß er über den Meeresspiegel blickt. Örtliche Überlieferungen besagen, die Bevölkerung habe sich nur äußerst zögerlich bereiterklärt, einen Mann zu ehren, den die Außenwelt in erster Linie mit einer Katastrophe und einer überstürzten Flucht in Verbindung brachte, einen Mann, dessen Crew im großen und ganzen aufgefressen worden war.
Das war nicht das Bild, dem die Menschen hier entsprechen wollten.
Damit hatten sie wohl recht. Aber die Stadt stand trotzdem in voller Blüte.
Es wimmelte hier nur so vor gutbetuchten Touristen, wohlhabenden Pensionären und qualifizierten Technokraten, von denen die meisten in der Tech-Kommunikationsindustrie arbeiteten, die damals noch in den Kinderschuhen steckte.
Der untere Landehafen liegt auf einer treibenden Plattform, von der aus man mit Überwasser-Röhrenbahnen in die Innenstadt von Pellinor gelangt. Wenn das Wetter gut ist, kann man auch über eine der zahlreichen treibenden Brücken gehen. Als der Shuttle den Landeanflug begann, hatte ich im Einwohnermeldeverzeichnis nachgeschlagen. Ich hatte Scotts Adresse, bevor wir auf dem Landefeld aufsetzten.
Ich nahm ein Taxi, bezog mein Hotelzimmer und duschte. Danach war es nach örtlicher Zeit früher Abend. Doch ich war erschöpft. Ich hatte wie üblich einen problematischen Flug gehabt: Mir war während der beiden Sprünge und den größten Teil der Zeit dazwischen schlecht gewesen. Also stand ich unter dem kühlen Strahl, tat mir selbst leid und schmiedete Pläne: Ich würde Scott
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