Alex Benedict 01: Die Legende von Christopher Sim
knisterte im Kamin, eine Flasche Wein stand in einem Eiskübel, und ein Violinkonzert von Sanquoi trieb durch die warmen Räume. Sie sah die Bücher und anderen Gegenstände durch, die ich bei der Talino-Gesellschaft und der Machesney-Stiftung gekauft hatte, und war (da ich ihr keine Erklärung gab) wahrscheinlich zur Ansicht gelangt, ich sei noch verrückter als sie. »Weißt du, sie haben eine dellacondanische Fregatte entdeckt. Er und Gabe. Sie war intakt, der archäologische Fund eines Lebens. Mein Großvater hatte der Suche schon fünfzehn Jahre gewidmet. Schließlich zog er Gabe hinzu. Und gemeinsam fanden sie die Regal. Sie ging bei Grand Salinas verloren.« Ihre Augen funkelten vor Zufriedenheit. »Um sie zu finden, brüteten sie über alten Unterlagen, berechneten Flugbahnen und unternahmen Gott weiß was noch. Ich war gerade alt genug, um zu wissen, wonach sie suchten, und zu begreifen, daß es sehr wichtig war. Es kam darauf an, die Kampfhandlungen so genau zu rekonstruieren, daß man alle Einwirkungen berechnen konnte. Den Kurs, die Geschwindigkeit, den Aufprall, spätere Versuche der Mannschaft, das alles zu kompensieren, und was weiß ich noch alles.«
»Klingt ziemlich unmöglich.«
»Sie konnten die Dinge eingrenzen. Großvater erzählte mir, es wären buchstäblich Dutzende von Schiffen in alle möglichen Richtungen auseinander getrieben worden. Sie würden noch immer irgendwo dort draußen treiben, und man könne sie bergen, wenn man nur wisse, wo man zu suchen habe. Doch zweihundert Jahre sind eine lange Zeit. Es ist einiges durcheinander geraten.«
»Erzähl mir von der Regal .«
»Die Ashiyyur haben sie mit irgendeinem elektronischen Puls angegriffen. Er durchdrang zwar nicht die Hülle, legte aber die Systeme des Schiffes lahm. Großvaters Worten zufolge hat die Mannschaft selbst ein Loch in den Bug gesprengt, um wieder Energie zu bekommen. Fünf wurden hinausgezerrt. Die anderen drei waren gefangen und bekamen keine Hilfe. Das Forschungsteam fand sie in einer luftdichten Kabine. Aber das Schiff selbst war in gutem Zustand.«
»Gabe hat mir davon erzählt«, sagte ich. »Es gab einen Unfall.«
»Kurz, nachdem sie an Bord gegangen waren, explodierte das Schiff. Jemand vom Team hatte einen falschen Knopf gedrückt. Sie haben nie herausgefunden, was passiert war. Es kam nie an die Öffentlichkeit, doch Großvater meinte, die Stummen seien dafür verantwortlich. Es war ein Mann namens Koenig bei ihnen, von dem sie später annahmen, er habe auf der Lohnliste der Stummen gestanden. Sie glaubten, er sei es gewesen.«
»Warum sollten die Ashiyyur etwas um ein zweihundert Jahre altes Schiff geben?«
Sie betrachtete mich nachdenklich und kniff die Augen zusammen, während sie einen Entschluß faßte. »Großvater hat es nicht genau gewußt«, sagte sie dann, »doch ich vermute, es gab noch andere Zwischenfälle, die darauf hindeuten, daß jemand nicht wollte, daß die Expedition Erfolg hatte.«
»Was ist mit Koenig passiert?«
»Er starb kurz darauf. Eine Herzgeschichte. Er war noch ziemlich jung und hatte noch nie zuvor Probleme mit dem Herzen gehabt.« Sie nippte an ihrem Wein und betrachtete den Stiel des Glases. »Ich weiß es nicht; vielleicht ist an der Sache etwas dran. Aber wie dem auch sei, mein Großvater war danach nie mehr derselbe. So einen Preis in den Händen gehabt zu haben und ihn wieder zu verlieren …« Sie seufzte. »Er starb nicht lange nach Koenig.«
»Es tut mir leid«, sagte ich.
»Gabe half, wie er nur konnte. Ich habe nie genau gewußt, was größeren Schaden anrichtete: das Artefakt zu verlieren oder von dem gesamten Berufsstand verlacht zu werden. Mich ärgert nur, daß ich eine Reihe von ihnen persönlich gekannt habe. Es sind keine nachtragenden Menschen. Doch sie haben nie begriffen, wie er sich vorkam, oder vielleicht war es ihnen egal, weil sie selbst genug Probleme hatten. Doch Llandman und seine Fregatte ergaben so eine tolle Geschichte. Es war, als habe Harry Pellinor die Ruinen von Belarius entdeckt und dann vergessen, wo sie lagen.«
Die Unterlagen über den Widerstand, die ich zusammengetragen hatte, lagen alle auf ein paar Tischen im Wohnzimmer. Sie sah sie sich an und nickte befriedigt, als sie die Simul-Kristalle, die Bände von Candles und anderes entdeckte. »Ich habe gar nicht gewußt«, sagte sie, während sie die Notizbücher der Tanner durchblätterte, »daß du dich so hingebungsvoll damit beschäftigst, Alex.«
»Es scheint mich irgendwie
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