Alex Benedict 01: Die Legende von Christopher Sim
Kampfhandlung. Es verbirgt sich im Augenblick in der Staub- und Gashülle, die Barcandrik umkreist und dessen inneren Ring bildet. Kapitän des Schiffes ist Mendel LeMara. Tarien Sim ist technisch gesehen nur ein Beobachter.
»Warum ist er überhaupt hier?« fragte ich. »Anscheinend hat er sich die unpassendste Zeit ausgesucht. Sie müssen doch gewußt haben, daß das Ende kurz bevorsteht.«
Genau aus diesem Grund. Er rechnet nicht damit, Rigel zu überleben. Sie sollten bedenken, daß in diesem Augenblick all seine Anstrengungen, Beistand zu gewinnen, gescheitert zu sein scheinen. Die Erde und Rimway zaudern weiterhin, keine Großmacht hat bislang die Absicht erklärt, eingreifen zu wollen, und die Flotte der Konföderation ist auf ein paar Dutzend Schiffe zusammengeschmolzen. Die einzige gute Nachricht seit geraumer Zeit war die von der Revolution auf Toxicon, die vielleicht eine wohlgesonnene Regierung an die Macht bringen und den Krieg dieser Welt mit Muri beenden wird. In der Tat wird aus dieser Richtung bald Hilfe kommen, doch den Verbündeten bleibt keine Zeit mehr.
Daher ist es nur konsequent, daß sich Tarien entschlossen hat, das Schicksal seines Bruders und dessen Gefährten zu teilen.
Ich zählte etwa zweihundert Feindschiffe auf meinem Monitor. Bei den meisten handelte es sich um Begleitschiffe und Zerstörer, doch den Kern der Streitmacht bildeten drei schwere Kampfkreuzer.
Ihnen gegenüber standen zwanzig Fregatten, ein paar Zerstörer und die Kudasai.
Mendel LeMara war ein großer Mann mit kupferfarbiger Haut, dessen Gesichtszüge im trüben Licht der Brücke grimmig wirkten. Er stand neben einer der Ortungskonsolen, und seine schlanke, muskulöse Gestalt zeichnete sich vor den Monitoren ab, die die Schlachtaufstellung präsentierten. Die Offiziere verhielten sich auf ihren jeweiligen Posten ruhig und hielten ihre Gefühle im Zaum. Tarien Sim musterte den großen Planeten, der in seinem dritten Viertel stand, nachdenklich durch die Sichtscheibe. Er schien unberührt von der Spannung auf der Brücke. Er hat das Unausweichliche akzeptiert, dachte ich. Er drehte sich plötzlich um, erwiderte meinen Blick und nickte ermutigend.
Der Planet hat nur knapp verpaßt, ein Stern zu werden, sagte der Monitor. In siebzig Jahren wird man den erfolglosen Versuch unternehmen, ihn zu zünden. Er ist der sechste von insgesamt elf Planeten des Systems. Abonai ist der vierte und nähert sich zur Zeit in seiner Umlaufbahn der kürzesten Entfernung.
»Warum«, fragte ich den Monitor, »machen wir uns nicht einfach davon? Was ist so wichtig an Abonai?«
Abonai ist die letzte der Grenzwelten der ursprünglichen Konföderation. Alle anderen sind gefallen: Eschaton, Sanusar, die Stadt auf der Klippe, sogar Dellaconda. Demzufolge hat sie einen gewaltigen symbolischen Wert. Mit ihrem Verlust würde der Krieg bedeutungslos; Sim und seine Verbündeten wären dann Verbannte, eine Bande von Nomaden, die völlig von der Unterstützung einiger Regierungen abhängig wäre, die immer und immer wieder ihre Gleichgültigkeit oder Furcht gezeigt haben.
»Wir glauben nicht«, sagte der Kapitän über die schiffsinterne Sprechanlage, »daß sie von der Kudasai wissen. Sie erwarten nur die üblichen Fregatten und Zerstörer. Es ist schon lange her, daß wir in diesem Krieg wirkliche Feuerkraft hatten, und vielleicht sind wir imstande, ihnen heute einen höllischen Schlag zu versetzen.« Er klang fast heiter. Auf der Brücke warfen sich die Offiziere nüchterne Blicke zu.
»Wir haben noch einige andere Vorteile«, fuhr er fort. »Freiwillige von Toxicon liefern der ashiyyurischen Hauptstreitmacht kleine Scharmützel und haben eine beträchtliche Anzahl von Begleitschiffen abgezogen. Sie werden nicht mehr rechtzeitig eintreffen können, um an den Hauptkampfhandlungen teilzunehmen.« Er atmete tief ein. »Ich weiß, daß Sie die Gerüchte gehört haben, die Erde habe ihre Absicht erklärt, eingreifen zu wollen. Ich muß Ihnen sagen, daß wir bislang noch keine offizielle Bestätigung erhalten konnten. Ich habe nicht den geringsten Zweifel, daß es so kommen wird, doch im Augenblick können wir keine Hilfe erwarten. Die Fregatten werden in ein paar Minuten angreifen. Es wird in einer Entfernung von eineinviertel Millionen Kilometern von unserer Position zur Feindberührung kommen. Unsere Einheiten werden versuchen, nicht allzu schlecht auszusehen, den Angriff dann abbrechen und hierherkommen. Wir erwarten, daß die Stummen ihnen
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