Alex Benedict 01: Die Legende von Christopher Sim
Überlieferung, nach der er als junger Mann in Point Edward lebte und dort auch seine Frau kennenlernte.«
»Jill«, sagte ich.
»Ja. Jill, die während des Angriffs auf Cormoral starb. Auf jeden Fall behaupten die Ilyandaner, er sei in Point Edward geblieben, weil er wußte, daß die Stadt sterben würde, und der Auffassung war, sie sollte einen Verteidiger haben. Sein Grab befindet sich auf dem Raumhafen. Sie haben es zu einem Denkmal gemacht und in einen Park verwandelt.
Da ist noch etwas, das dich interessieren müßte. Ich habe in den Transportunterlagen gegraben. Die sind technisch gesehen vertraulich, doch eine Einheit bei Lockway Travel war mir noch einen Gefallen schuldig. Dein Onkel brach etwa zwei Monate vor dem Verschwinden der Capella von hier nach Dellaconda auf.«
»Dellaconda«, sagte ich. »Christopher Sims Heimatwelt.«
»Ja. Überdies hat es den Anschein, daß sich Gabriel in den letzten anderthalb Jahren des öfteren dort aufhielt.«
»Jacob, das alles führt uns nur zum Widerstand zurück. Doch ich habe die Sache immer wieder durchgekaut und kann mir nicht vorstellen, welchen Zusammenhang es zwischen einem zweihundert Jahre alten Krieg und der Tenandrome geben könnte.«
»Ich auch nicht. Vielleicht ist jemand mit Lohngeldern durchgebrannt und hat sie in der Verschleierten Dame versteckt.«
»Blödsinn, verdammt«, sagte ich. »Irgend etwas ist dort passiert. Vielleicht ist es an der Zeit, sich das Schlachtfeld einmal anzusehen.«
Jacob folgte meiner Bitte, das Licht wurde trüber und erlosch, und funkelnde Sterne flammten im Zimmer auf. »Das Schlachtfeld kann als Gebiet von etwa einhundertundzwanzig Lichtjahren Breite und vierzig Lichtjahren Tiefe umrissen werden, die sich grob gesehen zwischen Miroghol und Wendrikan erstrecken.« Zwei Sterne, die an gegenüberliegenden Wänden schwebten, erhellten sich kurz, einer blau, einer weiß. »Die minimale Reisezeit zwischen ihnen betrug im Hyperraum mindestens sechs Tage.«
»Und bei einem modernen Schiff?«
»Etwa dieselbe Zeit. Wir verfügen seit etwa fünfhundert Jahren über die Armstrong-Einheit, und man kann sie eigentlich nicht mehr beschleunigen. Den Grund dafür kenne ich nicht, doch wenn du willst, kann ich eine Erklärung nachschlagen.«
»Schon gut.«
»Wir betrachten das Gebiet übrigens vom menschlichen Territorium aus. Der Rand des Einflußgebiets der Ashiyyur verlief zu Beginn des Krieges mitten durch den Raum.« Eine Kette von etwa einem Dutzend Sternen leuchtete kräftiger auf und erlosch dann wieder. Alle bis auf einen: eine trübe rote Sonne, bei der ich vermuten konnte, um welche es sich handelte. »Yenmasi«, sagte Jacob.
Dort hatte alles angefangen. Eine menschliche Kolonie auf Imarios, des vierten Planeten Yenmasis, hatte wegen irgendeiner trivialen Steuerfrage revoltiert. Und ganz in der Nähe lag Mistinmor, die gelbe Sonne, die den Himmel der Heimatwelt Cormoral erhellte, deren Kriegsschiffe eingegriffen und deren Vernichtung die Grenzwelten in Aufruhr gebracht hatten.
Es war alles dort: der blaue Überriese Madjnikhan, Heimat der unglücklichen Bendiri, die ihr einziges Schiff den Dellacondanern zu Hilfe geschickt hatten; die gelbe Sonne Castlemans, bei der mehrere von Sims Fregatten bei dem vergeblichen Versuch, die Stadt auf den Klippen zu retten, verloren gingen; die ernste Schönheit der Dutzend Sterne, deren symmetrisches Muster einen lichtjahrelangen Zylinder bildete, der in der Geschichte als die Nut bekannt wurde, in der eine kleine Flotte verbündeter Schiffe einer ashiyyurischen Armada eine verheerende Niederlage beigebracht hatte; die gelbe Sonne Minkiades (die so sehr Sol ähnelte), noch immer verachtet, weil sich ihre beiden besiedelten Welten voller Furcht den Invasoren ergeben hatten; der Weiße Zwerg Kaspadel, Heimatsonne von Ilyanda, und der strahlend weiße Rigel, wo Sim und sein Schiff gestorben waren …
»Zeige mir die Verschleierte Dame.«
»Maßstabwechsel«, sagte Jacob. Die Kriegszone schrumpfte zu einer funkelnden Wolke etwa von der Größe des Kamins zusammen und zog sich zu den Fenstern zurück. In der Mitte des Zimmers erschien ein zweiter heller Fleck. »Die Verschleierte Dame. Die Entfernung des nächstgelegenen Punkts des Schlachtfeldes zum Rand des Nebels beträgt etwas mehr als elfhundert Lichtjahre.«
»Sechzig Tage von Rigel entfernt«, sagte ich.
»Mehr oder weniger. Sie liegt weitab vom Schlachtfeld. Ich kann mir nicht vorstellen, welchen Zusammenhang es zwischen der
Weitere Kostenlose Bücher