Alex Benedict 03: Die Suche
System mit ihnen. Ich betrachtete die Bilder, arbeitete mich durch die detaillierten Angaben zu den einzelnen Sonnen, Gravitationskonstante, Masse, Temperaturbereich und so weiter. Und natürlich bekam ich die umgebenden Planeten zu sehen. Im Zuge ihrer gemeinsamen Karriere hatten sie vier belebte Welten entdeckt, eine bereits auf ihrer ersten gemeinsamen Reise, eine während der dritten und immerhin zwei während der siebten. Ich hörte ihre Stimmen, seine klang tief, die Stimme eines professionellen Forschers, stets ruhig und methodisch, ihre weich und kleinlaut, ein krasser Gegensatz zu ihrem eher dominanten Auftreten, wie ich dachte.
Ich hörte ihnen zu, als sie einmal glaubten, sie hätten Anzeichen für intelligentes Leben entdeckt, Spuren in einem Wald, die bemerkenswerte Ähnlichkeit mit einer Stadt hatten. Ihren sachlichen Ton hatten sie beibehalten, dennoch konnte ich die Spannung fühlen. Bis sie, wenige Minuten später, erkannten, dass sie eine vollkommen natürliche Struktur vor sich hatten. Ihre Enttäuschung war offenkundig.
Vermutlich gibt es da draußen noch jemanden. Außer den Stummen. Aber es gibt so viele Orte, an denen wir suchen müssten. Einige Experten sind der Ansicht, dass wir eine dritte Gruppe erst finden würden, wenn wir in unserer Entwicklung alles Menschliche längst hinter uns gelassen hätten.
Nirgends wurde ein treibendes Wrack erwähnt. Oder Margolia.
Ich machte eine Kopie von den Aufzeichnungen. Als Nächstes brauchte ich jemanden, der sich mit den Arbeitsabläufen der Vermessung auskannte.
Shara Michaels war Astrophysikerin und Mitarbeiterin im analytischen Stab der Vermessung. Es lag in ihrer Verantwortung, das höhere Management über Projektvorschläge zu informieren: Bei welchen lohnte es sich, dass man sie weiterverfolgte, welche konnten auf die Warteliste gesetzt und welche zweifelsfrei fallen gelassen werden.
Ich bin mit ihr zur Schule gegangen, habe mit ihr gefeiert und sie sogar ihrem künftigen Ehemann vorgestellt. Ihrem künftigen Ex, wie sich herausgestellt hat, aber wir sind trotz allem Freundinnen geblieben, auch wenn wir uns in den letzten Jahren kaum gesehen hatten.
In jenen alten Tagen war sie ein echter Hingucker gewesen, die Frau, die der eigene Freund niemals zu Gesicht bekommen sollte. Blondes Haar, Elfenfrisur, Augen, so blau wie die See, und jede Menge Sinn für Unfug. Alle haben sie geliebt.
Sie sah immer noch gut aus, als sie die Tür zu ihrem Büro öffnete. Aber die ehedem hochmütige Haltung war verschwunden. Sie war vollkommen sachlich. Höflich, erfreut mich zu sehen. Und sie erklärte mir, wir müssten uns bemühen, uns doch wenigstens dann und wann zu sehen. Aber da war auch eine gewisse Reserviertheit, das die jüngere Shara nicht gekannt hatte.
»Du hättest anrufen sollen«, sagte sie, bot mir einen Stuhl an und nahm ihrerseits Platz. »Du hättest mich beinahe verpasst. Ich wollte gerade gehen.«
»Ich habe gar nicht vorgehabt, heute vorbeizukommen, Shara«, sagte ich. »Hast du ein paar Minuten Zeit?«
»Für dich? Klar. Worum geht es?«
»Alex hat mich hergeschickt. Ich war drüben im Archiv.«
»Machst du immer noch die Sklavenarbeit?«
»Meistens.« Wir plauderten ein paar Minuten. Dann kam ich zur Sache. »Ich brauche deine Hilfe.«
Sie ließ uns Getränke bringen, Wein von den Inseln. »Wobei?«
»Ich habe mir einige alte Missionsberichte angesehen. Von vor vierzig Jahren.«
»Warum?«, fragte sie. »Was suchst du?«
»Die Vermessung hat seinerzeit ein Ehepaar beschäftigt, Adam und Margaret Wescott. Es wäre möglich, dass sie bei einer ihrer Missionen auf etwas Ungewöhnliches gestoßen sind.«
»Die Leute finden bei den Missionen oft ungewöhnliche Dinge.« Sie meinte allerdings Planeten auf auffälligen Umlaufbahnen oder Gasriesen mit einer außergewöhnlichen Mischung aus, sagen wir, Kohlenstoff und Methan.
Ich sah sie über den Rand meines Glases hinweg an. »Nein«, sagte ich. »Nicht so etwas.«
»Was denn dann?«
»Einen Artefakt. Ein Schiffswrack. Das etwas mit Margolia zu tun hat.«
»Mit was?«
»Margolia.«
Ihr Lächeln war immer noch wunderschön. »Du machst Witze.«
»Vor ungefähr einer Woche ist bei uns eine Frau mit einer Tasse aufgetaucht, die von der Seeker stammen könnte, Shara.« Als sie wieder die Stirn runzelte, erklärte ich es ihr.
Als ich geendet hatte, sah sie belustigt drein. Vielleicht auch enttäuscht, dass ich zu so offensichtlich albernen Schlussfolgerungen fähig war.
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