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Alex Benedict 04: Das Auge des Teufels

Alex Benedict 04: Das Auge des Teufels

Titel: Alex Benedict 04: Das Auge des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack McDevitt
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dass sowohl Dramen als auch Komödien häufig auf Missverständnissen, gezielten Täuschungen oder der schlichten Unfähigkeit, die Absichten eines anderen zu erfassen, beruhten, ein Konzept, das unter Ashiyyur nicht funktionieren konnte. Wie sollte man einen Krimi konstruieren, wenn jede Figur wie ein offenes Buch war?
    Es war eine sonderbare Erfahrung. Bilder ohne Worte. Besonders bei den Diskussionsforen, bei denen innerhalb einer halben Stunde das Scharren eines Stuhls durchaus das einzige Geräusch bleiben mochte.
    Ich versuchte mir vorzustellen, ich säße irgendwo in einem Studio und das Omikron übertrüge meine Gedanken in die ganze Welt. Mein Gott, jede niedere, verachtenswerte, grausame oder lüsterne Idee, die mir je durch den Kopf gegangen war, würde aufgedeckt!
    »Ich habe eine Frage«, wandte Circe sich an unseren Gastgeber. »Wozu ist das Bild gut? Wenn es um eine Art mentaler Erfahrung geht, wozu brauchen die Ashiyyur dann Bilder dazu? Haben diese Leute, die da diskutieren, kein Bild von dem Werkzeug, dem Politiker oder worüber immer sie auch sprechen, im Kopf?«
    Kassel ließ sich mit der Antwort einen Moment Zeit. »Wenn Sie an einer Diskussion über verschiedene Sonnentypen teilnehmen würden und, sagen wir, über Rigel diskutieren wollen, haben Sie dann ein klares Bild des Sterns im Kopf?«
    »Ich denke schon«, meinte sie.
    »Schlechtes Beispiel! Wie wäre es mit einem klaren Bild von der Arbeitsweise eines Quantenantriebs.«
    »Das schafft niemand!«
    »Oder ein natürliches Konservierungsmittel. Oder eine bestimmte Schlucht mit auffälligen Besonderheiten. Sie können nicht jedes Detail abrufen. Irgendetwas wird dabei immer übergangen. Darum die Bilder.«
    Auch im Leben der Ashiyyur gab es natürlich Geräusche. Motorengeräusche. Wasserfälle. Flüsse. Das metallische Krachen beim Aufbau eines Baugerüsts. Sie liebten Musik, auch wenn diese mir meist in den Ohren schmerzte. Aber das alles betonte nur umso mehr das umfassende Schweigen in der Zivilisation der Ashiyyur. Massen von Stummen bevölkerten die makellosen Städte, führten allerlei Bauprojekte aus, schlenderten durch Einkaufspassagen, saßen bei Sportveranstaltungen auf den Tribünen, bandelten miteinander an, pflanzten sich fort, und all das taten sie, von einigen wenigen Hintergrundgeräuschen abgesehen, in vollkommener Stille.
    »Nicht ganz«, korrigierte Kassel mich leise, obwohl ich nichts gesagt hatte. »Geräusche, sicher, davon gibt es nur relativ wenig. Wenn Sie Stille aber als die Abwesenheit äußerer Reize definieren, das Fehlen fremder Ideen, fremder Leidenschaften und Hoffnungen, das Ausbleiben einer Konversation mit Freunden, eines Austausches über alles, was im Leben zählt, dann lautet die Antwort nein. Es ist alles andere als still in unserem Leben!«
    Am Morgen landete ein Regierungsgleiter auf der Plattform auf dem Dach. Kassel gesellte sich zu uns, und wir kletterten gemeinsam an Bord. Die Pilotin gab sich große Mühe, sich ihre Erschütterung angesichts ihrer Passagiere nicht anmerken zu lassen. Kassel sah sie an, und sie schien sich ein wenig zu entspannen. »Sie hat eine Spezialausbildung für Interspeziestoleranz absolviert«, erklärte er.
    »Heißt das wirklich so?«, fragte Circe.
    »Das ist der Fachausdruck.« Seine Fänge blitzten kurz in einem typischen Stummenlächeln auf. »Wir haben selbst ein paar Probleme.«
    Alle Namen, mit denen Menschen Ashiyyur bezeichneten, waren mehr oder weniger frei erfunden. Sie hatten selbstverständlich Namen. Da die Stummen aber nicht sprachen, kannten wir nur die Schriftform, und aus der Schriftform lässt sich nicht zwangsläufig auf die gesprochene Lautfolge schließen. Nur Gott und die Stummen kannten den richtigen Namen von Borkarat, wenngleich ich ihnen die Symboldarstellung hätte zeigen können. Die Stummenhauptstadt dieser Welt, der Ort, an dem wir uns derzeit befanden, war Neu-Volaria. Auch das war natürlich ein von Menschen gemachter Name. Damals hatte ich keine Ahnung, woher dieser Name stammte. Doch seither hatte ich Gelegenheit zu lernen, dass das ursprüngliche Volaria eine Barbarenhauptstadt auf Regnus III zur Zeit der Sorgen gewesen war. Ich glaube, das sagt etwas darüber aus, wie wir die Ashiyyur wahrnehmen.
    Kassel deutete auf einen großen, silbernen Obelisken. »Das ist unser Regierungsgebäude. Das …«, er suchte nach einem passenden Begriff, »das Parlament tagt derzeit.«
    »Was können Sie uns über den Marineminister erzählen?«,

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