Alex Benedict 04: Das Auge des Teufels
Insel in der Südsee.
»Das macht nichts«, erwiderte Kassel. »Sie dachten, Sie würden mich gern sehen, und ich hätte es auch nicht anders haben wollen. Außerdem gibt mir das Gelegenheit, diesen Schwachköpfen eine Lehrstunde zu erteilen!«
Giambrey erkundigte sich, ob Kassel bereits gehört habe, was auf Salud Afar geschehe.
»Ich weiß von der Hypernova. Falls Sie aber die Bedingungen auf der Oberfläche meinen, das Verhalten der Leute, darüber haben wir nicht viel gehört. Zu den Medien auf Salud Afar unterhalten wir keine direkte Verbindung der Art, wie wir sie im Raum der Konföderierten nutzen. Und die Berichte sind nicht gerade umfassend. Überwiegend werden rekonstruierte Bilder der Hypernova und Reportagen, in denen die Leute gefragt würden, ob sie Angst haben, gesendet. Welche Antwort erwarten die Reporter darauf? Allerdings habe ich heute Morgen gehört, einer der Raumhäfen sei zerstört worden.«
»Zerstört?«, hakte Alex nach. »Wie?«
»Jemand hat eine Bombe zur Explosion gebracht.« Wir betraten einen Fahrstuhl, woraufhin alle anderen die Kabine verließen. »Eine weitere Erklärung hat es nicht gegeben.« Er sah mich an, und ich las in seinen Augen: Blöde Affen!
Jep. Sind wir.
Ich war an Spinner und Deppen aller Art gewöhnt. In größeren Bevölkerungsgruppen gab es stets ein paar Irre. Die Stummen hatten in dem Punkt jedoch einen Vorteil: Untereinander konnten sie jede Form des Wahnsinns auf Anhieb erkennen. Bevor der Wahnsinn sich zu einer Bombe materialisieren konnte.
Ich erwiderte Kassels Blick und versuchte gar nicht zu verbergen, was ich dachte: Zwei Milliarden Menschen würden sterben, obwohl die Mittel zu ihrer Rettung vermutlich existierten. Aber sie würden dennoch sterben, ganz einfach, weil es kein wahrhaft intelligentes Leben im Kosmos gab. Nicht in der Konföderation und nicht in der Ansammlung. Die Stummen und die Konföderierten würden sich weiterhin gegenseitig unter Beschuss nehmen, das Gemetzel würde stattfinden, und jeder würde einfach so tun, als wäre es unvermeidlich gewesen.
Er berührte meine Schulter. »Ich fürchte, Sie haben Recht, Chase! Ich wünschte, ich wüsste, wie ich helfen kann!«
Ganz plötzlich, ohne jede Vorwarnung, rannen Tränen über meine Wangen. Kassel wickelte mich in seine Arme und hielt mich fest.
36
Jeder von uns ist in seinem eigenen Kopf gefangen, Maria! Wir werden einander nie wirklich kennen. Wir können die Gefühle der anderen nicht fühlen, können sie höchstens oberflächlich nachvollziehen, doch spüren wir weder ihre Ängste noch ihre Leidenschaften. Die Wahrheit lautet, dass wir allein sind.
Mitternacht und Rosen
Giambrey war der einzige Berufsdiplomat unter uns. Er war es gewohnt, jedem beliebigen Staatsoberhaupt seine Aufwartung zu machen und um dessen Gunst zu ringen, und natürlich war Kassel für ihn ein Repräsentant einer staatlichen Macht. Auch Alex war bewusst, wie wichtig es war, Geduld zu zeigen. Und, so nehme ich an, auch Circe. Doch für mich blieb unser Begleiter der gute alte Kassel. Und so war ich es, die gegen das Protokoll verstieß, als wir uns zu unseren Räumlichkeiten im Hotel aufmachten, und Kassel fragte, wann wir den Ministerpräsidenten treffen würden. »Zeit ist ein kritischer Faktor«, fügte ich hinzu.
Der geneigte Leser wird inzwischen längst erfasst haben, dass es nicht notwendig war, in Gegenwart eines Ashiyyur zu sprechen. Außer man wollte anderen Menschen die Möglichkeit einräumen, der Unterhaltung zu folgen. Dennoch war jenen Stummen, die die Kommunikation mit uns beherrschten, bewusst, dass es, selbst unter vier Augen, geschickt war, uns Gelegenheit zu geben, unsere Gedanken zu verbalisieren. »Für Menschen«, hatte Selotta einmal zu mir gesagt, »ist die Stimme wichtiger als das Gehirn. Wie könnte es anders sein?« Anschließend hatte sie sich mir gegenüber als wahre Diplomatin erwiesen, indem sie erklärt hatte, das ich, selbstverständlich, eine Ausnahme sei.
»Die Dringlichkeit ist uns bewusst«, entgegnete Kassel ungewohnt formell. »Der Ministerpräsident hat ein Gespräch zwischen Ihnen und dem Marineminister für morgen früh anberaumt.« Giambrey schien mit der Antwort zufrieden zu sein, jedenfalls bedachte er mich mit einem Blick, der mir sagen sollte, ich möge mich zurückhalten. Folglich betraf das bedeutsamste Thema, das es nun noch zu besprechen galt, die Frage, wo und wann wir zu Abend essen würden. »Es wäre das Beste«, erbot sich
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