Alex Benedict 04: Das Auge des Teufels
vor dreiunddreißig Jahren stattgefunden. »Er wurde von seinen eigenen Leibwächtern erschossen«, sagte die Rezeptionistin, und ihre Stimme klang plötzlich ein wenig ungehalten, zornig. »Zu schade, dass das nicht schon früher passiert ist!«
Wie in den meisten Kolonialwelten nahm auch auf Salud Afar der Kalender seinen Anfang mit der Ankunft der ersten Mission. In diesem Fall war es das Verdienst der Aquila unter dem Kommando von William Corvier. Vor dem Hotel gab es eine Statue von Corvier, allerdings erfuhr ich später, dass niemand genau wusste, wie er tatsächlich ausgesehen hatte. Außerdem stand das exakte Datum der Landung keineswegs fest. Das Logbuch war schon vor Tausenden von Jahren verschwunden, und die Schätzungen wichen um bis zu sechs Jahrhunderte voneinander ab. Aber Salud Afar hatte sich schließlich auf einen Schätzwert festgelegt und diesen zum Jahr null erklärt. Das aktuelle Jahr war 4198.
Die Frau in der Lobby war zu jung, um das Attentat als Zeitzeugin miterlebt zu haben. Aber die Feindseligkeit, die sie den Diktatoren entgegenbrachte, war deutlich spürbar. Erst in diesem Augenblick fing ich an zu begreifen, dass die Emotionen in Hinblick auf die Cleev-Diktatur noch immer stark waren. Auf beiden Seiten. Es gab auch manche, die die Diktatur gern zurückgehabt hätten.
Dem Attentat waren drei Jahre des Aufruhrs gefolgt, der Revolution und der Konterrevolution. Das Bandahriat, ein diese ganze Welt umspannendes Gemeinwesen, hatte sich zunächst in vier Staaten aufgesplittert und später, durch die allgemeine Entwicklung und eine Reihe von Umstürzen, in neun. Komalia wurde als eine Art Konzernrepublik im Jahr 4168 gegründet. Schließlich bildeten die einzelnen Staaten diverse Kooperationen aus und vereinigten sich in einer globalen Koalition.
Komalias exekutive Autorität stellte der Administrator, Tau Kilgore, der zudem eine leitende Funktion in der Exekutive der Koalition innehatte. Ich lauschte einer politischen Sendung, während ich auf das Meer hinausblickte. »Er ist nicht gerade der gescheiteste Mann der Welt«, sagte ein Diskussionsteilnehmer soeben.
»Er meint es gut«, sagte ein anderer.
Und ein dritter: »Das weiß jeder, dennoch ist er kaum imstande, seinen eigenen Hintern zu finden.«
»Eigentlich ist das nicht einmal wichtig«, sagte der erste Diskussionsteilnehmer, ein Mann mit tiefer Stimme. »Gegenüber Betsy ist er auf jeden Fall schon ein gewaltiger Fortschritt.«
Ich hatte keine Ahnung, wer Betsy war.
Der Hoteleingang befand sich im dritten Stockwerk. Ich stand vor der Vordertür, weit genug über dem Boden, um den Ozean zu sehen, und dachte darüber nach, was für ein schöner Tag dies doch sei, als mir plötzlich auffiel, dass ich das dumpfe Rauschen nicht hören konnte, das Meere stets zu verbreiten pflegen. Das kam mir so lange seltsam vor, bis ich mich daran erinnerte, dass Salud Afar seinen Mond verloren hatte.
Die Leute ereifern sich immer wieder darüber, wie unheimlich ein tausend Jahre altes Schiffswrack doch sein könne oder eine alte Raumstation, die mitten durch das Nirgendwo treibe, oder eine Stadt, die von einer entschwundenen Zivilisation übrig geblieben sei. Aber nichts hatte mich je im Inneren so erschauern lassen, wie hier auf Salud Afar in der Nähe des Strandes zu stehen, auf das Meer hinauszublicken und nichts als absolute Stille zu hören.
Ich verbrachte eine Stunde auf der Seepromenade. Die salzige Luft war belebend, und ich sinnierte während des überwiegenden Teils der Zeit, wie gut es doch tue, wieder im Sonnenschein zu sein. Leute schlenderten vorüber, und Kinder stürmten mit Ballons hin und her.
Ein paar Männer gingen an mir vorbei, und als ich unterwegs ein süßes Hörnchen bestellte, flüsterte ein etwa acht Jahre alter Junge seiner Mutter zu, ich würde komisch sprechen.
Alex meldete sich und fragte, ob ich schon etwas gegessen habe. Und ob ich Lust habe, mich zu ihm zu gesellen. Also trafen wir uns in einem Lokal namens Morey’s an der Promenade. Ich nahm Platz und vergnügte mich mit einem Teller roter Früchte, die leicht zitronig schmeckten, während er mir erzählte, was er von den Leuten erfahren hatte, mit denen er verabredet gewesen war. Sie alle hatten Vicki binnen weniger Tage nach ihrer Ankunft getroffen. Sie schien ganz normal zu sein und machte nicht den Eindruck, als bereite ihr irgendetwas besondere Sorgen. Niemand wusste, was die nächste Station ihrer Reise gewesen war. Nun blieb nur noch eine
Weitere Kostenlose Bücher