Alex Benedict 04: Das Auge des Teufels
als flaches, graues Land, das sich bis zum Horizont erstreckte.
Das Hotel war ebenso überfüllt wie das Restaurant. »Ich schätze, der Tourismus ist hier recht einträglich«, meinte Alex.
»Entgeht mir irgendwas?«, fragte ich. »Oder geht es wirklich nur um den Friedhof?«
»Ich glaube, es geht tatsächlich nur um den Friedhof«, erwiderte er. »Nun verzieh ja nicht so das Gesicht! Schließlich hat nicht jede Stadt ein Grab mit einer ruhelosen Leiche zu bieten!«
Der ältliche Eigner eines Andenkengeschäfts erzählte uns die Geschichte. »Daran ist nur Peter Cleev schuld.«
»Cleev?«, fragte Alex. »Einer der Diktatoren?«
»Ja, vor dreihundert Jahren. Er war wütend, weil einige seiner Schergen von Rebellen getötet worden waren. Also sorgte er für ein Programm, dessen Ziel bessere Soldaten waren. Leute, die mit einem oder zwei Schüssen aus einem Scrambler nicht niederzustrecken wären. Peter Cleev wollte Soldaten, die keinen Schmerz empfinden.«
»Ist das Ihr Ernst?«, fragte Alex.
»Sehe ich aus, als würde ich Märchen erzählen?« Der Ladenbesitzer lachte und zeigte uns ein Bild von Peter Cleev. Ein langer, dürrer Kerl mit einem Spitzbart und satanischen Augen. Er sah aus wie ein finsterer Tyrann aus einem erfolgreichen Holovideo. »Er wollte nicht, dass jemand davon erführe, weil das nicht gut für sein Image gewesen wäre. Die Cleevs hielten uns alle für verdammte Idioten. Die haben gedacht, wir würden sie als teilnahmsvolle, verträgliche Menschen wahrnehmen, denen das Wohlergehen der Bürger am Herzen läge.
Das ist der Grund, warum sie sich immer mit lächelnden Leuten umgeben haben. Die Welt war unter Bandahr unentwegt glücklich. Oder es knallte.
Jedenfalls hat er ein Projektteam hergeschickt, um seine …« Er suchte nach dem passenden Wort.
»Androiden«, schlug Alex vor.
»Androiden, richtig, ja, um seine Androiden herzustellen. Die Leute in der Stadt sahen zu, als an der Route 1 ein Labor mit verschiedenen Nebengebäuden errichtet wurde.«
»Route 1?«, fragte ich.
»Das ist die Straße, die direkt durch das Stadtzentrum führt.«
»Das ist so ziemlich die einzige Straße, die Sie hier haben!«
»Genau. Route 1. Wissen Sie, wenn Sie mich ständig unterbrechen …«
»Nein, schon gut! Bitte, erzählen Sie weiter!«
»Okay! Jedenfalls, als die Bauarbeiten abgeschlossen waren, hat die ganze Nacht das Licht gebrannt, und dann haben sie angefangen, irgendwelches Zeug in nicht gekennzeichneten Gräbern auf der Rückseite des Friedhofs zu verbuddeln.«
»Fehlgeschlagene Experimente?«, fragte Alex.
Der Ladenbesitzer nickte feierlich, so, als dürfte die Wahrheit nie ans Licht kommen. Als wäre das eine Geschichte, für die die Welt noch nicht bereit wäre. »Ja«, nickte er, »genau so was haben sie dort vergraben! Bei Nacht haben sie Gefangene hergebracht und ihre gottverdammten Experimente durchgeführt. Und sie haben so lange weitergemacht, bis sie Erfolg hatten. Oder bis sie dachten, sie hätten Erfolg.
Forrest Barryman war Lehrer in der Oberstufe, als sie ihn geschnappt und hergebracht haben. Er hatte in einer seiner Klassen irgendwas gesagt. Oder jemand hat behauptet, er hätte, und das hat gereicht. Sie haben ihn schusssicher gemacht, sodass er den meisten kleinen Waffen gewachsen war. Und sie haben ihn schmerzunempfindlich gemacht. Aber Forrest hat nicht gefallen, was sie mit ihm angestellt haben, also ist er eines Nachts ausgebrochen und hat das Labor in Stücke gerissen. Und einige seiner Peiniger gleich mit.
Dann hat er die Sicherheitsleute ausgeschaltet und ist in den Wald geflüchtet. Aber da war er schon nicht mehr bei Verstand. Eines Nachts kam er in die Stadt und lief Amok. Er hat jeden gewürgt und geschlagen, der ihm begegnet ist. Und sie konnten ihn nicht aufhalten. Irgendwann hat der wütende Mob es geschafft, ihn aus der Stadt zu verjagen. Die Leute sind ihm bis ins Gebirge gefolgt. Dabei sind noch mehr Menschen umgekommen, aber schließlich haben sie ihn mit Hilfe einer Plasmagranate erledigt.
Sie haben ihn zusammen mit ihren eigenen Toten auf dem Friedhof begraben. Seine Angehörigen wurden benachrichtigt, und viele von ihnen sind zur Trauerfeier gekommen. Sie waren entsetzt, als sie erfuhren, was passiert war. Aus ihrer Sicht war Forrest schlicht verschwunden. Niemand hatte gewusst, was aus ihm geworden war. Und als bekannt wurde, dass er hinter den Vorfällen hier steckte, war Diktator Cleev so besorgt, dass er sich selbst an die Öffentlichkeit
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