Alex Benedict 04: Das Auge des Teufels
Jahren, gab sich alle Mühe, nervös auszusehen, als er uns erzählte, dass die städtische Gutachterkommission darüber diskutiere, den Friedhof für Besucher zu sperren. Jeder wisse schließlich, dass es nur eine Frage der Zeit sei, bis Forrest Barryman sich erneut aus seinem Grab befreie, und niemand könne sagen, was er dann anstellen würde. Der Reiseleiter musterte die Kinder, von denen einige kicherten, während andere sich noch ein bisschen dichter an ihre Mütter schmiegten. »Natürlich denken die meisten von uns, dass sie sich unnütz den Kopf zerbrechen«, sagte er mit ernster Miene. »Aber Sie wissen ja, wie die Leute so sind. Ein ruheloser Toter reicht, um die ganze Stadt in Verruf zu bringen!«
Alex beugte sich zu mir. »Du siehst ein bisschen nervös aus, Chase!«
Er tat einfach alles, um mich in die Defensive zu treiben.
Ich schenkte ihm ein Lächeln und ging nicht weiter darauf ein.
Der Friedhof war ein staubiger, trockener Ort, ganz anders als der üppig grüne, stets von blühenden Blumen und Bäumen überladene Friedhof in der Nähe des Landhauses auf Rimway, und überall standen Schilder mit der Aufschrift: BETRETEN NACH EINBRUCH DER DUNKELHEIT VERBOTEN.
»Ich glaube nicht, dass ich hier jemanden beerdigen wollte, der mir am Herzen liegt«, stellte ich fest.
Alex sah an mir vorbei, und ich hätte seine Antwort vorhersagen können: »Ich kann mir nicht vorstellen, dass das am Ende noch viel ausmacht.«
Ein Windstoß erfasste den Bus. »Forrest rührt sich bei Tag nicht«, sagte unser Reiseleiter. »Es gibt nichts, worüber Sie sich Sorgen machen müssen!« Der Bus bahnte sich einen Weg an den Grabsteinen vorüber. Schließlich hatten wir die Kuppe eines kleinen Hügels erreicht, und der Steinblock kam in Sicht. Er war so hoch, ich hätte die Spitze mit den Fingern nicht erreichen können, und er war etwa halb so lang wie der Bus.
Wir steuerten einen Parkplatz an, und die Türen öffneten sich. Der Reiseführer sprang als Erster hinaus. Er half den Damen die Trittstufen hinunter, reichte Kindern die Hand und erzählte derweil ununterbrochen, dass wir absolut sicher seien und bei Tageslicht nichts zu befürchten hätten. »Er tritt nur in Aktion, wenn Callistra am Himmel steht.« Er zog das Wort Callistra in die Länge, wälzte die Konsonanten über die Zunge und kostete die Vokale aus. Der Mann hatte wirklich Spaß an seiner Arbeit.
»Die ziehen eine nette Show ab«, flüsterte Alex mir zu.
Natürlich war die Inschrift Mögest du ewig ruhen das Erste, worauf mein Blick fiel. Es gab noch eine andere Inschrift auf der anderen Seite, die aus drei Zeilen voller mir unbekannter Zeichen bestand. »Das ist Arrakesh«, erklärte der Reiseführer. »Es stammt aus der Enkomia, einem uralten Text, den manche Leute für heilig halten. Die erste Zeile enthält seinen Namen, Forrest Barryman. Die zweite Zeile enthält das Datum der ersten Beerdigung, die letzte Zeile bedeutete Heimgefahren.« Vorsichtig berührte er den Steinblock. »Das jedenfalls hoffen wir«, fügte er hinzu.
»Wozu die fremde Sprache?«, erkundigte ich mich.
»Sie soll dazu beitragen, ihn in seinem Grab festzuhalten«, sagte er. »Die meisten Leute, die seinerzeit hier gelebt haben, gehörten den Reisenden an. Die Reisenden waren tief gläubig. Der Name dieser religiösen Gruppierung beruht auf der grundlegenden Auffassung, dass das Leben eine Reise darstellt, die den Menschen aus der schlechten Welt in die Erlösung führen soll. Wenn Sie sich hier umsehen, werden Sie feststellen, dass etliche Grabmale ein Sternemblem tragen. Es kennzeichnet die Gräber von Reisenden.«
»Callistra!«, bemerkte die Frau hinter mir.
»Sehr richtig«, entgegnete der Reiseführer. »Die Reisenden glaubten, dass Callistra der Stern Gottes sei und als Zeichen seiner Existenz von ihm selbst am Himmel platziert worden sei.«
Der Stern stand natürlich im Zentrum einer ganzen Reihe von Religionen in dieser Welt, auch wenn ich das zu diesem Zeitpunkt noch nicht wusste.
Der Ort machte einen friedlichen Eindruck, und um den Steinblock zu bewegen, wäre eine ziemlich große Antigrav-Maschine notwendig gewesen. »Er ruht nicht wirklich«, sagte der Reiseführer, der offenbar nicht geneigt war, von seiner Geschichte abzulassen. »Wenn Sie in einer windigen Nacht herkommen, was übrigens streng verboten ist, wenn Sie dennoch herkommen und Callistra steht direkt über Ihnen am Himmel, dann können Sie hören, wie er dort unten versucht, sich zu
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