Alex Benedict 04: Das Auge des Teufels
anderen Zeitaltern, die noch immer die Straßen unsicher machten. Aber in Moreska befand sich Demery Manor, ein Herrenhaus, das aus unbekannten Gründen im letzten Jahr der Bandahrherrschaft in die Luft geflogen war, nur Monate vor dem Attentat auf den letzten Cleev. Niemand wusste, wie es dazu gekommen war, allerdings war jedermann davon überzeugt, dass Nicorps etwas damit zu tun gehabt habe. Der Eigner der Villa, Edward Demery, war, soweit bekannt, kein Regimegegner.
Ich konnte mir nicht vorstellen, es reiche, ein Haus in die Luft zu jagen, um Vicki Greenes Interesse zu wecken. Bis ich erfuhr, dass in der näheren Umgebung in derselben Nacht noch siebzehn andere Häuser zerstört worden waren.
Von Demery Manor waren nur noch ein paar verkohlte Balken und einige Steinwände übrig, die in den Himmel ragten. Die landläufige Meinung besagte, Edward Demery habe den Zorn von Aramy Cleev auf sich gezogen und den Preis dafür bezahlen müssen. Gemäß den Faltblättern, die wir im Hotel in Moreska erhielten, waren die meisten Experten der Ansicht, die Bandahr seien persönlich gekränkt gewesen, als Demery im Zuge eines Interviews vom Mitgefühl und tiefen Anstand Dakar Cleevs gesprochen habe, Aramys Großvater, ohne Aramys eigenes, beispielloses Mitgefühl auch nur zu erwähnen. Der Diktator habe sich öffentlich natürlich nicht dazu geäußert, habe im Gegenteil Demerys Scharfsinn gelobt. Aber jeder, der Aramy Cleev kenne, wisse doch, dass die fehlende Erwähnung seiner Güte kein gutes Ende habe nehmen können.
Das Zerstörungswerk war sechs Tage nach diesem unglückseligen Gespräch initiiert worden und dehnte sich über ein Gebiet von mehreren Hundert Kilometern in alle Himmelsrichtungen aus. Häuser, Villen und Landgüter waren dem Erdboden gleichgemacht worden. Niemand hatte überlebt.
Nicorps, so wurde vielfach angenommen, schließe die Bücher der Leute, die sich den Zorn der Bandahr zugezogen hätten.
Wir besuchten die Ruinen an einem kalten Nachmittag, an dem eine feuchte Brise von See hereinwehte, und waren mit einem automatischen Reiseführer ausgestattet. »Sie haben ihn und seine Frau ermordet«, berichtete der Auto-Führer.
»Achtzehn Häuser in einer Nacht?«, fragte Alex. »Kommt mir ein bisschen extrem vor!«
»Es gibt stets Gerüchte, wenn schlimme Dinge geschehen«, verkündete unser Reiseleiter. »Falls Sie meine persönliche Meinung hören wollen: Ich glaube, Nicorps ist durchgedreht und beschlossen, alle Leute zu töten, die ihnen nicht gefallen haben. Aber wer weiß das schon so genau?«
»Womit hat er seinen Lebensunterhalt verdient?«, fragte ich. »Demery, meine ich.«
»Er wurde reich geboren, Ma ’am. Aber er selbst hat sich als Mathematiker gesehen, auch wenn er nie eine formelle Ausbildung absolviert hat.«
»Stammte er aus dieser Gegend?«
»Oh, nein. Nein. Er stammte nicht einmal von dieser Welt. Demery wurde auf Rimway geboren.«
»Gibt es irgendwelche Theorien darüber, warum all diese Leute in derselben Nacht getötet wurden?«, fragte Alex. »Abgesehen davon, das Nicorps verrückt gespielt hat.«
»Welche andere Erklärung sollte es dafür geben? Vermutlich sind sie in Rückstand geraten und haben beschlossen, die liegen gebliebene Arbeit zu erledigen. Alles in derselben Nacht. Es wäre nicht das erste Mal, dass jemand etwas in der Art gemacht hat.«
Alex starrte die Ruinen an. »Hat Demery einen Avatar hinterlassen?«
»Der wurde gelöscht. Am Tag der Explosionen.«
»Aufgrund welcher Befugnis?«
»Das weiß niemand.«
»Das dürfte«, sinnierte ich, »von ganz oben gekommen sein.«
Alex nickte. Natürlich.
Edward Demery hatte nicht nur sein Leben verloren. Er war auch in elektronischer Hinsicht getilgt worden, und das galt nicht allein für seinen Avatar. Rief man seine Daten ab, so fand man gerade genug, um nachzuweisen, dass er existiert hatte. So war eine Geburtsurkunde auffindbar, ein paar kurze Berichte über eine geplatzte Eheschließung, und es gab Informationen über seinen Grundbesitz. Etwa: Demery erwirbt Bürogebäude in New Samarkand. Dann war da ein Bericht darüber, dass er die Mehrheitsbeteiligung an Blackmoor Finanzdienstleistungen erworben habe und der Aquarius-Stiftung Spenden habe zukommen lassen, einer Einrichtung, die sich darum bemühte, die Ozeane zu regenerieren, die unter dem fehlenden Mond zu leiden hatten. Außerdem hatte Demery eine Auszeichnung der Historischen Gesellschaft Ballinger erhalten. Aber über sein eigentliches
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