Alex Benedict 04: Das Auge des Teufels
Leben, darüber, was er dachte, woran er glaubte, was ihm wichtig gewesen war, war nichts mehr zu finden.
Orrin Batavian war ein Bankangestellter, der sich selbst als Historiker betrachtete. Wir wollten mit ihm sprechen, weil er einen Vortragstermin für Vicki organisiert hatte und weil er ein enger Freund von Demery gewesen war. Wir trafen ihn in seinem Haus an, einem Gebäude inmitten eines landschaftlich ansprechend gestalteten Grundstücks am Stadtrand.
»Ed und ich waren fasziniert von Altertümern und Vorgeschichte«, erzählte er uns. »Ja, tatsächlich von der Frühzeit.« Wegen dieser Freundschaft, so gestand er uns, habe er nach der Explosion einige Tage lang den Atem angehalten und sich gefragt, ob sie auch hinter ihm her seien. »Man wusste nie, womit man Nicorps gegen sich aufbringen konnte«, erklärte er. »Das war ihre Vorgehensweise. Jemand gerät in Schwierigkeiten, und sie schalten nicht nur diese Person aus, sondern auch gleich alle Leute, die diese Person kannten. Ich war ziemlich nervös.«
An den Wänden hingen gerahmte Auszeichnungen wegen besonderer Leistungen, ausgestellt von Batavians Bank, und Bilder, die ihn selbst in Gesellschaft diverser Leute zeigten, deren Haltung andeutete, dass sie irgendwie prominent waren.
»Wie ist er in Schwierigkeiten geraten?«, fragte Alex. »Wissen Sie etwas darüber?«
Batavian schüttelte den Kopf. »Ehrlich, ich habe keine Ahnung. Er war kein Freund des Regimes. Aber wer war das schon?« Sein Stuhl knarrte. »So gut wie niemand! Manche Leute hatten kein Problem mit Cleev. Man tat, was von einem verlangt wurde, und machte keinen Ärger, dann hatte man auch nichts zu befürchten.«
»Aber Sie denken, Cleev hat hinter der Geschichte gesteckt?«
»Nun ja, Nicorps hat dahintergesteckt. Ich glaube nicht, dass der Grund bedeutend genug war, um die Aufmerksamkeit der Bandahr zu wecken. Sie müssen verstehen, dass der meiste Ärger von den Leuten ausging, die weiter unten in der Nahrungskette standen. Da gab es jede Menge Schläger und Psychopathen in verantwortlichen Positionen, und die wussten, dass sie bei ihren Bossen einen guten Eindruck hinterlassen konnten, wenn sie ihnen nur Monat für Monat genug Exekutionen lieferten!
Es waren schlimme Zeiten. Darum haben die meisten Leute auch keine elektronischen Aufzeichnungen angelegt. Ed war eine Ausnahme. Übrigens tun die Leute so etwas immer noch nicht. Jedenfalls die älteren. Sie können es auf die Macht der Gewohnheit schieben. Aber es herrscht auch überall eine gewisse Furcht, die Bandahr könnten zurückkommen. Also hinterlegt man freiwillig keine Datensätze. Umso weniger einen Avatar, der womöglich der Regierung erzählen könnte, was man wirklich denkt.« Batavian hatte ein aristokratisches Auftreten. Seine Familie hatte es in der Diktatur weit gebracht, und in der Stadt erzählte man sich, er habe nur überlebt, als Demery umgekommen war, weil er Beziehungen gehabt habe. »Das mag stimmen«, räumte er ein. »Ich selbst war kein Kollaborateur, mein Vater schon. Und meine Schwester.«
Alex kniff die Augen zusammen. »Haben Sie irgendeine Ahnung, aus welchem Grund man Demerys Daten gelöscht haben könnte?«
»So etwas hat Nicorps routinemäßig getan. Dafür brauchten die keinen Grund. Wer in Schwierigkeiten geriet, wurde unsichtbar. Schauen Sie, ich weiß nicht, ob Ed sich vielleicht nur der falschen Person gegenüber falsch geäußert hat. Oder ob es da etwas gegeben hat, das sie wirklich gefürchtet haben. Demery mochte das Bandahriat nicht. Aber er hat nie mehr getan als reden. Und er hat versucht, Besonnenheit gegenüber den Leuten walten zu lassen, mit denen er gesprochen hat. Er war wie ich. Wir hatten unser bescheidenes Auskommen unter diesen Hurensöhnen, also hielten wir uns an die Regeln. Lebten mit ihnen, so gut wir konnten. Ich weiß nicht. Vielleicht haben sie ihn auch nur geholt, weil ihnen noch ein paar Leute auf ihrer Todesliste gefehlt haben. Vielleicht war es auch ein Irrtum. Vielleicht hatte er irgendwelche alten Düngemittel in seinem Keller. Ich weiß es einfach nicht.«
»Also gut«, meinte Alex, »versuchen wir es mit einem anderen Thema: Vicki Greene!«
»Nun ja, ich wusste, dass sie herkommen wollte.«
»Sie hat hier einen Vortrag gehalten. Und Sie haben den Moderator gegeben.«
Er lächelte. »Sie hat vor der Marsgesellschaft gesprochen. Vor einer geschlossenen Gesellschaft. Nur für Mitglieder. Und ein paar Gäste.«
»Die Marsgesellschaft ist was?«
»Eine
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