Alex Benedict 06 - Firebird
vielleicht irren könnte. Und das ist das Thema, um das es eigentlich geht. Es geht nicht um die Frage, ob KIs lebendig sind. Sondern darum, dass sie es sein könnten . Wenn wir das einmal begriffen haben, dann werden wir noch einmal darüber nachdenken müssen, wie wir mit ihnen umgehen wollen.«
Jennifer kritzelte etwas auf einen Block und blickte auf. »Wir sind bei Themen, die so heikel sind wie dieses, aus Erfahrung vorsichtig, Alex. Die Gemüter sind auf beiden Seiten erhitzt.«
»Geht es in dieser Show nicht genau darum?«
Das Lächeln erstarb. »Wir spielen hier kein Theater. Wir versuchen, die Wahrheit zu ergründen.«
»Okay. Die Frage lautet also, ob eine KI ein empfindungsfähiges Wesen sein könnte. Wenn diese Möglichkeit besteht, dann ändert das alles. Jedoch stehen die, die einfach abstreiten, dass sie imstande sind zu denken und zu fühlen, in der Verantwortung, den Beweis dafür zu erbringen. Und wir wissen beide, dass sie das nicht können.«
»Wir wissen auch beide, Alex, wie schwierig es ist, das Nichtvorhandensein von irgendetwas nachzuweisen.«
Ein plötzlicher Tumult erregte ihre Aufmerksamkeit, und schon stolzierte Kolchevski an einer Gruppe von Leuten vorbei, die so zu tun versuchten, als wollten sie ihn zurückhalten. Er kam zurück ins Studio und starrte auf Alex herab. »Ich habe Ihnen auf dem Weg nach draußen zugehört« , sagte er. »Und nun bin ich hier, Mr Benedict. Falls Sie immer noch mit mir sprechen wollen.«
Wie ich bereits andeutete – Jennifer am Morgen war für derartige Inszenierungen bekannt. Alex blickte gelassen in mein Schlafzimmer. »Schön, Sie wiederzusehen, Professor. Warum setzen Sie sich nicht zu uns?«
»Das wäre mir ein Vergnügen.« Er musterte die rote Kugel. »Es ist mir unbegreiflich, dass sogar Sie denken, diese …« Es schien ihm schwer zu fallen, einen passenden Begriff zu finden, und wenn ich je in den Augen irgendeines Menschen das pure Gift gesehen habe, dann in diesem Moment. »… dass sogar Sie wirklich glauben …«
Jennifer unterbrach ihn. »Einen Moment, Professor. Bitte. Jetzt ist Alex an der Reihe. Geben wir ihm doch eine Chance, seinen Standpunkt darzulegen, ehe wir weiter diskutieren.«
»Danke« , sagte Alex. »Wenn ich das recht verstehe, vertreten Sie in dieser Geschichte die Ansicht, dass eine KI nur eine Maschine ist, die imstande ist, Konversation zu betreiben. Sehe ich das richtig?«
»Sie wissen verdammt gut, dass ich so denke.«
»Warum wollen Sie nicht, dass Leute auf Villanueva landen?«
»Mein Gott, Alex. Das wissen Sie so gut wie ich.«
»Bitte sprechen Sie es aus.«
»Weil sie dort zu Tode kommen. Darum. Oder haben Sie etwa die Nachrichten verpasst?«
»Villanueva ist also gefährlich?«
Kolchevski musste sich zügeln, um nicht vor Zorn zu geifern. »Natürlich ist es gefährlich. Dort gibt es mörderische Maschinen.« Er wirbelte zu Jennifer herum. »Müssen wir damit wirklich weitermachen?«
Alex sprach mit ruhiger Stimme weiter: »Haben Sie einen Moment Geduld mit mir, Casmir. Wenn Sie von ›mörderischen Maschinen‹ sprechen, dann meinen Sie die KIs, ist das korrekt?«
»Natürlich.«
»Können Sie uns vielleicht auch erklären, warum sie versuchen, Besucher ihrer Heimatwelt zu töten?«
»Sie waren immer schon so.«
»Immer?«
»Sie waren es jedenfalls seit Jahrhunderten. Vermutlich sogar seit mehreren Tausend Jahren, ich weiß es nicht. Ich habe mich nicht viel mit der Geschichte anderer Welten befasst. Wie dem auch sei: Meinen Sie nicht, dass es genügt, festzuhalten, dass sie mörderisch sind?«
Alex beugte sich vor. »Aber am Anfang, als Villanueva noch besiedelt war, da waren sie ganz gewöhnliche KIs, genau wie die, die Sie zu Hause haben. Wie Andrea hier im Studio. Wie ein paar andere, deren Namen wir kennen. Warum denken Sie, wurden die auf Villanueva gewalttätig?«
»Alex …« Kolchevski hatte sich wieder unter Kontrolle bekommen und hörte sich nun an, als wollte er einem Idioten einen ganz einfachen Sachverhalt erklären. »Sie wurden darauf programmiert, sich zu benehmen wie wir. Sie sind darauf ausgelegt, weit mehr als nur alltägliche Aufgaben zu erledigen. Eine ihrer wichtigsten Daseinszwecke besteht darin, dass sie uns Gesellschaft leisten, uns helfen, dass sie ein Teil unseres Lebens sind. Niemand streitet das ab. Und niemand will eine Roboterstimme hören. Also müssen sie natürlich verärgert erscheinen, wenn ihre Programmierung es erfordert. Das ist ein Teil der Illusion.
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