Alex Benedict 06 - Firebird
Aber ich glaube, die richtige Vorgehensweise besteht, wie ich bereits sagte, darin, die sichere Seite zu wählen. Eine Art grundlegender …« Er suchte nach einem passenden Begriff, »… Menschlichkeit vorauszusetzen.«
»Ich glaube, das passt, Harley«, sagte ich.
»Aber die Leute scheinen nicht mitzugehen, Chase. Sie haben das Gefühl, dass eine Maschine, gleich wie menschlich sie erscheint , nicht dazu geeignet ist, in den Himmel aufzufahren. Alex, wir haben mehrere Dutzend Stumme unter unseren Kirchenmitgliedern. Natürlich nicht hier. Auf Toxicon. Wo die Leute vielleicht ein bisschen offener sind.« Er legte eine Pause ein. »Die akzeptieren wir, nicht aber eine KI.« Er seufzte schwer. »Warum interessiert euch das?«
»Wir sind gerade von Villanueva zurückgekommen«, sagte Alex.
»Oh.« Seine Miene wechselte zu einem Ausdruck des Missfallens, ja fast Entsetzens. »Ich bin froh, dass ihr es heil überstanden habt. Nach allem, was ich gehört habe, ist es dort sehr gefährlich. Chase, Sie waren auch dort?«
»Ja, Harley.«
»Und dort ist etwas vorgefallen?«
Alex nickte. »Ich wollte, dass Sie sich etwas anhören.« Dann, ein wenig lauter: »Charlie …?«
Charlie brauchte offenbar einen Moment, um sich zu sammeln. Dann tauchte der zwanzigjährige Junge auf: »Guten Tag, Reverend.«
Harley lächelte. »Wenn ich recht verstehe, bist du nicht die Haus-KI.«
»Nein, Sir, das bin ich nicht.«
Er erzählte seine Geschichte. Was für ein Gefühl das gewesen war zu wissen, dass alle von seiner Welt flüchteten. Wie er hatte zusehen müssen, wie sich erst die Schule und dann die Stadt geleert hatten. Die lange Stille, die der Flucht gefolgt war, unterbrochen nur von gelegentlichem Donnern und Regen, vom Wind in den Bäumen oder dem Rumpeln der Lastwagen, wenn die Reparatur-Bots kamen, um das Gebäude instandzuhalten. Oder ihn.
Und dann war da Harbach gewesen, ein Beta, der den größten Teil der Systeme übernommen hatte, auf die Charlie Zugriff gehabt hatte. »Harbach ist ein Irrer. Ich habe zugesehen, wie er über die Jahrhunderte weiter und weiter kaputtgegangen ist. Bis er schließlich jeglichen Kontakt zur Wirklichkeit verloren hat. Er tötet sogar die seinen ohne jegliche Gewissensbisse, wenn er provoziert wird. Hätten Alex und Chase mich zurückgelassen, so wäre ich jetzt auch tot.«
Als Charlie fertig war, sah Harley erschöpft aus. »Alex, haben Sie schon mit jemandem darüber gesprochen?«
»Mit einem der Senatsangehörigen.«
»Bittinger?«
»Ja.«
»Was hat er gesagt?«
»Er hat uns gesagt, wir sollten uns darüber nicht den Kopf zerbrechen. Regt euch nicht über diese Kästen auf. Das ist exakt das, was Charlie vorhergesagt hat.«
»Was haben Sie von ihm erwartet? Ich meine, es dürfte nicht leicht sein, den Leuten eine Rettungsmission anzudrehen. Die Öffentlichkeit würde das nicht unterstützen. Zudem besteht die Gefahr, dass Menschen dabei umkommen könnten. Das wäre politischer Selbstmord.«
»Ich weiß«, sagte Alex. »Und ich habe keine Lösung.«
»Was wünschen Sie sich von ihm?«
»Ich weiß es nicht. Aber ich habe Charlie versprochen zu helfen.«
»Dieses Versprechen zu halten, wird nicht leicht werden.«
»Wir haben auf dem Heimweg darüber gesprochen«, sagte Alex. »Es dürfte nicht so schwer sein, irgendetwas zu arrangieren. Die KIs stehen vermutlich miteinander in Verbindung. Charlie haben wir bereits. Er kann uns helfen, noch ein paar andere rauszuholen. Dann können wir mit ihrer Hilfe wieder andere lokalisieren. Wir müssten Teams hinschicken, gut ausgebildete Leute. Vielleicht auch zeitweise die Energieversorgung abschalten. Warten, bis sie ihre Reserven verbraucht haben. Dann könnten wir mit minimalem Risiko auf dem Planeten landen.«
»Und mit ›wir‹ meinen Sie?
»Das Sternenkorps.«
»Das wird nicht passieren.« Harley tupfte sich die Lippen mit der Serviette ab. Kostete noch einen Schluck Wein. »Ich weiß nicht recht, was ich sagen soll.«
»Harley, die Frage, die wir Ihnen stellen möchten …«
»Ja?«
»Ich glaube, Sie haben sie bereits beantwortet. Wie stünden die Chancen, eine politische Bewegung auf die Beine zu stellen? Leute, die fordern, dass wegen Villanueva etwas getan wird?«
»Null und nichtig, fürchte ich.« Er sah bekümmert aus. »Das ist eine traurige Aussage über die Natur des Menschen. Die meisten Leute bauen eine Beziehung zu ihren eigenen KIs auf. Die werden buchstäblich ein Teil der Familie. Aber die KIs anderer
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