Alex Cross 05 - Wer Hat Angst Vorm Schattenmann
Abstand hinter dem Jaguar, als sie ihm auf der belebten Massachusetts Avenue folgte. Shafer schien nicht nach Hause zu fahren; er fuhr aber auch nicht ins Southend.
Wohin wollen wir denn heute Abend?, fragte sie sich, als sie ihn verfolgte. Und was hat es mit den Vier Reitern zu tun? Was für ein Spiel spielst du wirklich? Was für Fantasien hast du?
Bist du ein schlechter Mensch, Geoffrey, ein Mörder? Du siehst gar nicht so aus, Blonder. So ein schicker Sportwagen für menschlichen Abschaum, für einen Mörder.
N ach Dienstschluss reihte Geoffrey Shafer sich in den Stoßverkehr auf der verstopften Arterie ein, der Massachusetts Avenue. Gleich nach Verlassen der Botschaft hatte er den schwarzen Jeep hinter sich entdeckt.
Der Verfolger war immer noch hinter ihm, als er auf der Massachusetts weiterfuhr.
Wer ist in dem Jeep? Einer der Mitspieler? Polizei? Detective Alex Cross? Die Bullen haben die Garage in Eckington entdeckt. Jetzt haben sie mich gefunden. Es muss die Scheißpolizei sein.
Shafer griff zum Autotelefon und rief zu Hause an. Lucy nahm nach mehrmaligem Klingeln ab.
»Liebling, ich komme doch jetzt schon nach Hause. Im Büro ist ein bisschen Flaute. Wir könnten etwas zu essen bestellen – -es sei denn, ihr habt andere Pläne.«
Sie schwatzte sofort los, was ihn jedes Mal wahnsinnig machte. Sie und die Zwillinge hatten eigentlich ins Kino gehen wollen, um sich »Antz« anzuschauen, aber sie würden natürlich bei ihm zu Hause bleiben. Sie konnte etwas von Pizza Hut bestellen. Das wäre zur Abwechslung mal lustig.
»Ja, sehr lustig«, sagte Shafer und wand sich innerlich bei dieser Vorstellung. Pizza Hut servierte nicht essbare Pappe, die von grauenvoller Tomatensoße triefte. Er legte auf und nahm eine Xanax. Er hatte das Gefühl, als öffneten sich langsam Spalten in seinem Schädel.
Shafer schlug das Lenkrad scharf nach links, machte eine halsbrecherische Wende auf der Massachusetts Avenue und fuhr nach Hause. Dabei kam er an dem Jeep vorbei, der in die Gegenrichtung fuhr. Er war versucht zu winken. Eine Frau am Steuer. Wer war das denn?
Gegen sieben Uhr kam die Pizza, und Shafer öffnete eine teure Flasche Cabernet. Im Badezimmer im Untergeschoss spülte er noch eine Xanax mit dem Wein hinunter. Danach fühlte er sich ein bisschen verwirrt und desorientiert, aber das war wohl in Ordnung, nahm er an.
Herrgott, er konnte es nicht ertragen, mit seiner Familie zusammen zu sein; er hatte das Gefühl, als würde er aus seiner Haut kriechen. Seit seiner Kindheit in England hatte er die wiederkehrende Fantasievorstellung, dass er in Wahrheit ein Reptil sei und sich häuten konnte. Er hatte diesen Traum gehabt, lange bevor er Kafka gelesen hatte. Und jetzt hatte er diesen verstörenden Traum immer noch .
Er rollte die drei Würfel in der Hand, nippte am Wein und spielte das Spiel am Tisch. Wenn die Zahl siebzehn kam, würde er alle noch heute Nacht umbringen. Das schwor er sich.
Erst die Zwillinge, dann Robert und dann Lucy.
Lucy plapperte unablässig, erzählte von ihrem Tag. Shafer lächelte fröhlich, als sie ihm von ihren Einkäufen bei Bloomingdale’s, bei Bath & Body Works und Bruno Cipriani in der exklusiven Shoppingmall erzählte. Er dachte über die wahnwitzige Ironie nach, dass er immer deprimierter wurde, obwohl er Riesenmengen Antidepressiva schluckte. Herrgott, die Wirkung ließ schon wieder nach. Wie tief konnte er noch sinken?
»Komm, siebzehn«, sagte er laut.
»Was, Liebling?«, fragte Lucy. »Hast du was gesagt?«
»Er plant schon das Spiel von heute Abend«, meinte Robert und kicherte. »Stimmt’s, Daddy? Das ist dein Fantasy-Spiel.
Hab ich Recht?«
»Du hast Recht, Sohn«, antwortete Shafer und dachte: Mein Gott, verliere ich den Verstand?
Er ließ die Würfel behutsam vor sich auf den Tisch fallen. Er würde sie ermorden – wenn ihre Zahl käme. Die Würfel rollten endlos lange und prallten schließlich gegen die Pizza-Schachtel.
»Daddy und seine Spiele«, sagte Lucy und lachte. Erica und Tricia lachten. Robert lachte.
Sechs, fünf, eins, zählte er. Verdammt, verdammt.
»Spielen wir beide heute Abend?«, fragte Robert.
Shafer zwang sich zu einem Lächeln. »Heute nicht, Rob Boy. Ich würde ja gern, aber es geht nicht. Ich muss noch mal weg.«
D as wurde hochinteressant. Patsy Hampton beobachtete Shafer, wie er gegen halb neun das große, luxuriöse Haus in Kalorama verließ. Er begab sich wieder auf eine seiner nächtlichen Vergnügungsfahrten. Der Kerl war
Weitere Kostenlose Bücher