Alex Cross 05 - Wer Hat Angst Vorm Schattenmann
Bett und zwei Polstersessel standen, weiter nichts. Auch hier spürte ich Gefahr.
Ich machte die Tür des Wandschranks auf. Der Anblick ließ mich erstarren. Darin hingen Kakihosen, ein blaues Hemd, ein blauer Blazer – und noch etwas.
»John, komm her«, rief ich. »John!«
»O Scheiße! Muss ich? Nicht noch mehr Leichen.«
»Komm mal her. Er ist es. Es ist die Wohnung vom Wiesel.
Ich bin ganz sicher. Das hier ist schlimmer als ‘ne Leiche.«
Ich machte die Tür noch weiter auf, damit Sampson sehen konnte, was ich entdeckt hatte.
»Scheiße«, stöhnte er. » Verdammt , Alex.«
Jemand hatte Fotos im Wandschrank aufgehängt. Ein halbes Dutzend Schwarzweißfotos klebten an der Hinterwand. Das war nicht das Heiligtum eines Mörders. Er wollte, dass die Bilder gefunden wurden.
Da waren Fotos von Nana, Damon, Jannie, mir und Christine. Sie schien in die Kamera zu lächeln, dieses unglaublich schöne Lächeln, diese großen, verheißungsvollen Augen.
Die Fotos waren auf Bermuda aufgenommen. Wer immer diese Wohnung gemietet hatte – hatte die Fotos geschossen.
Endlich hatte ich etwas, das Christines Entführung mit den Morden in Washington in Verbindung brachte. Ich wusste, wer sie entführt hatte.
Ziehen Sie sich zurück.
Ehe Sie alles verlieren.
Wieder spürte ich Angst. Diesmal meine eigene.
P atsy Hampton war noch nicht bereit, sich Chief Pittman anzuvertrauen. Sie wollte nicht, dass der Häuptling sich einmischte oder sie bedrängte. Außerdem traute sie dem Mistkerl nicht.
Sie war sich aber immer noch nicht im Klaren darüber, was sie wegen Alex Cross tun sollte. Cross war ein Problem für sie.
Je näher sie ihn in Augenschein nahm, desto besser sah er aus.
Er schien ein sehr guter Polizist zu sein, der in seinem Beruf aufging. Patsy hatte ein schlechtes Gewissen, weil sie Chuck Hofstedlers Informationen vor ihm zurückhielt. Chucky war zuerst Cross’ Quelle gewesen, aber sie hatte ausgenutzt, dass Chuck in sie verknallt war, um sich einen Vorteil zu verschaffen. Nun hasste sie sich selbst dafür.
Spät am Nachmittag fuhr sie mit ihrem Jeep zur Britischen Botschaft. Sie ließ Geoffrey Shafer in begrenztem Rahmen beschatten – von sich selbst. Sie könnte mehr Leute bekommen, aber das hätte bedeutet, zu Pittman gehen zu müssen, und Patsy wollte nicht, dass jemand erfuhr, was sie in der Hand hatte. Sie wollte nicht gedrängt werden.
Sie hatte die ersten Hausaufgaben über Shafer gemacht. Er arbeitete für den britischen Geheimdienst – und zwar außerhalb Englands. Höchstwahrscheinlich war er ein Spion, der von der britischen Botschaft an der Massachusetts Avenue aus arbeitete. Er hatte einen guten Ruf, sehr gut sogar. Angeblich hatte seine jetzige Tätigkeit mit dem Menschenrechtsprogramm der britischen Regierung zu tun. Im Klartext hieß das, dass es lediglich Augenwischerei war. Shafer wohnte in Kalorama, einem sehr noblen Viertel, das er sich von seinem Gehalt allein nie leisten konnte. Wer, zum Teufel, war dieser Mann?
Patsy saß in ihrem Wagen, den sie vor der Botschaft auf der California Street geparkt hatte. Sie rauchte eine Zigarette und dachte über alles nach. Sie sollte wirklich mit Cross sprechen und herausfinden, wie weit er mit seinen Ermittlungen war.
Wusste er etwas, das weiterhalf? Vielleicht war auch er hinter Shafer her. Es war beinahe kriminell von ihr, nicht mit Cross Verbindung aufzunehmen und die Informationen, die sie von Chucky Cheese erfahren hatte, mit ihm zu teilen. Außerdem hätte sie gern gewusst, was Cross an Informationen besaß, besonders, ob Shafer auf seinem Radar aufgetaucht war.
Auf der Straße in der Nähe der britischen Botschaft war es sehr laut. An der türkischen Kanzlei auf der gegenüberliegenden Seite der California Street wurde gebaut. Patsy Hampton hatte bereits Kopfschmerzen – ihr Leben war ein einziger großer Kopfschmerz – und wünschte, die Arbeiter würden zu hämmern und zu sägen aufhören. Aus irgendeinem Grund wimmelte an diesem Tag eine Menschenmenge um die National-Moschee.
Kurz nach fünf Uhr stieg Shafer auf dem Parkplatz vor der Rotunda mit ihren gläsernen Wänden in seinen Jaguar.
Patsy hatte ihn vorher zweimal gesehen. Er war in guter körperlicher Verfassung und sah attraktiv aus, wenngleich er nicht ihr Typ war. Auf alle Fälle blieb Shafer nach Dienstschluss keine Minute länger im Büro. Patsy vermutete, dass er irgendwo eine Verabredung hatte oder seinen Job hasste. Vielleicht beides.
Sie blieb in sicherem
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