Alex Cross 05 - Wer Hat Angst Vorm Schattenmann
aufgegeben«, erklärte ich. »Hören Sie, Patsy, mir geht es nicht um den Ruhm, diese Fälle gelöst zu haben. Lassen Sie mich nur helfen. Gestern Abend hat er mich zu Hause angerufen. Jemand hat angerufen und hat mir gesagt, ich solle mich zurückziehen. Ich nehme an, dass er die Ermittlungen meint, aber ich bin nicht befugt, daran zu arbeiten.
Wenn Pittman hört, dass wir …«
Detective Hampton unterbrach mich. »Lassen Sie mich über alles nachdenken, was Sie gesagt haben. Sie wissen, dass Pittman mich kreuzigt, wenn er was erfährt. Sie dürfen von gar nichts wissen. Ich traue Pittman nicht über den Weg.« Jetzt schaute sie mich direkt an – mit bohrendem Blick. »Und erwähnen Sie auch bei Ihren Busenfreunden oder bei Sampson nichts davon. Man kann nie wissen. Lassen Sie mich alles überschlafen. Ich bemühe mich, das Richtige zu tun. Im Grunde bin ich gar nicht so ein hartes Miststück. Nur ein bisschen eigenartig, verstehen Sie.«
»Sind wir das nicht alle?«, sagte ich und lächelte. Hampton war tatsächlich eine harte Polizistin, aber ich hatte ein gutes Gefühl bei ihr. Ich nahm etwas aus der Tasche. Meinen Piepser.
»Behalten Sie das Ding. Sollten Sie in Schwierigkeiten geraten oder eine weitere Spur finden, können Sie mich jederzeit verständigen. Wenn Sie etwas herausfinden, lassen Sie es mich bitte wissen – genauso, wie ich Sie informieren werde, wenn ich etwas Neues erfahre. Falls Shafer unser Mann ist, möchte ich mit ihm sprechen, ehe wir ihn aufs Revier bringen. Das ist eine persönliche Angelegenheit. Sie können sich gar nicht vorstellen, wie persönlich.«
Patsy Hampton behielt Blickkontakt und betrachtete mich.
Sie erinnerte mich an eine Polizistin, die ich vor langer Zeit gekannt hatte. Jezzie Flanagan war auch kein einfacher Fall gewesen. »Ich denke darüber nach und melde mich bei Ihnen.«
»In Ordnung. Danke, dass Sie mich an der Sache beteiligen.«
Sie stand auf. »Noch sind Sie nicht beteiligt. Wie ich schon sagte, ich melde mich.« Dann berührte sie meine Hand. »Das mit Ihrer Freundin tut mir aufrichtig leid.«
W ir wussten beide, dass ich von nun an beteiligt war. Wir hatten in dem Restaurant eine Art Pakt geschlossen. Ich hoffte nur, dass Patsy Hampton und Pittman oder Gott weiß wer sonst mich nicht verschaukeln wollten.
Während der nächsten beiden Tage redeten Patsy Hampton und ich viermal miteinander. Ich war immer noch nicht überzeugt, dass ich ihr trauen konnte, hatte aber keine Wahl. Ich musste weitermachen. Sie hatte bereits die Frau aufgesucht, die in Eckington die Wohnung und die Garage vermietet hatte. Die Vermieterin hatte Shafer auf den Fotos nicht erkannt. Möglicherweise hatte er eine Verkleidung getragen, wenn er die Frau getroffen hatte.
Falls Patsy Hampton mich hinterging, war sie eine der besten Lügnerinnen, die ich je kennen gelernt hatte, und ich hatte wahre Meister auf diesem Gebiet erlebt. Während eines Telefonats gestand sie mir, dass Chuck Hufstedler ihre Quelle gewesen war und dass sie ihn dazu gebracht habe, mir die Informationen vorzuenthalten. Ich tat es mit einem Achselzucken ab. Ich hatte weder die Zeit noch die Energie, auf einen der beiden wütend zu sein.
Inzwischen verbrachte ich viel Zeit zu Hause. Ich glaubte nicht, dass der Mörder meiner Familie etwas antun würde, nachdem er bereits Christine in seiner Gewalt hatte, aber sicher konnte ich nicht sein. Wenn ich nicht daheim war, sorgte ich dafür, dass Sampson oder sonst jemand das Haus im Auge behielt.
Am dritten Abend nach dem Treffen mit Patsy Hampton gelang uns eine Art Durchbruch. Patsy hatte mir tatsächlich angeboten, mit ihr zusammen Shafers Haus in Kalorama Heights zu beschatten.
Er war kurz vor achtzehn Uhr vom Dienst nach Hause gekommen und bis kurz nach einundzwanzig Uhr geblieben. Shafer hatte eine nette, typisch britische Familie: drei Kinder, eine Frau und ein Kindermädchen. Den Shafers fehlte es an nichts.
Und nichts in Geoffrey Shafers Leben oder seiner Umgebung wies darauf hin, dass er ein Mörder sein könnte.
»Er scheint jeden Abend um diese Zeit wegzufahren«, sagte Patsy Hampton, als wir ihn zu dem glänzenden schwarzen Jaguar gehen sahen, der auf einer Kieseinfahrt neben dem Haus geparkt war.
»Ein Gewohnheitstier«, sagte ich. Ein Wiesel .
»Ein Tier auf alle Fälle«, sagte sie. Wir lächelten beide. Das Eis zwischen uns brach ein wenig. Sie gestand mir, dass sie mich eingehend überprüft habe, dann aber zu der Ansicht gelangt sei, dass
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