Alex Cross 05 - Wer Hat Angst Vorm Schattenmann
ein regelrechter Vampir.
Patsy wusste, dass Cross und seine Freunde den Mörder »das Wiesel« nannten; diese Bezeichnung passte hervorragend auf Shafer. Er hatte irgendetwas an sich – eine Flinkheit und Unberechenbarkeit –, das einem Unbehagen bereitete.
Sie folgte dem schwarzen Jaguar, doch zu ihrer Enttäuschung fuhr Shafer nicht in Richtung Southeast, sondern zu einem schicken Supermarkt, Sutton on the Run, gleich beim Dupont Circle. Patsy kannte das teure Geschäft und nannte es im Stillen den »Warum-weniger-zahlen-Laden«.
Er parkte den Jaguar unvorschriftsmäßig und betrat das Geschäft. Diplomatische Immunität. Das machte Patsy wütend.
Was für ein Wiesel dieser Kerl doch war, richtiger Euro-Müll.
Während Shafer im Supermarkt war, traf Patsy Hampton eine wichtige Entscheidung. Sie würde mit Alex Cross reden. Sie hatte lange über das Für und Wider nachgedacht. Jetzt hatte sie das Gefühl, sie könnte im Southeast Menschenleben gefährden, wenn sie nicht wenigstens einen Teil von dem weitergab, was sie wusste. Se würde es nicht ertragen können, wenn jemand starb. Außerdem hätte Cross ihre Informationen erhalten, hätte sie Chuck Hufstedler nicht abgefangen.
Shafer kam wieder aus dem Supermarkt zum Vorschein und schaute sich auf dem Dupont Circle um. In einem Arm hielt er eine kleine Tüte mit den überteuerten Lebensmitteln. Aber für wen sollten sie sein? Shafer schaute sich immer noch um, blickte aber nicht in Richtung ihres Jeeps, der um die Ecke lugte.
Patsy folgte dem schwarzen Jaguar in sicherer Entfernung.
Es herrschte kaum Verkehr. Shafer bog auf die Connecticut Avenue ein. Patsy glaubte nicht, dass er sie entdeckt hatte.
Aber er war ein MI6-Mann, deshalb musste sie vorsichtig sein.
Schließlich fuhr der Jaguar in die Tiefgarage eines alten Gebäudes in Woodley Park, das noch aus der Vorkriegszeit stammte. The Farragut war auf das Messingschild davor eingraviert.
Patsy Hampton wartete ein paar Minuten; dann folgte sie dem Jaguar in die Garage. Sie musste sich dort umsehen und alles im Auge behalten, soweit möglich.
Nachdem Patsy geparkt hatte, ging sie zu dem Wächter in seinem kleinen Wärterhäuschen und wies sich aus.
»Der Jaguar, der gerade vor mir reingefahren ist, haben Sie den schon früher hier gesehen?«, fragte sie.
Der Mann nickte. Er war ungefähr so alt wie Patsy, und sie erkannte, dass er möglichst viel Eindruck bei ihr schinden wollte. »Klar. Ich hab aber noch nie mit dem Mann gesprochen. Er kommt her, um eine Lady in Nummer zehn zu besuchen. Dr. Elizabeth Cassady. Sie ist Psychologin. Ich nehme an, er ist ihr Patient. Er hat so einen komischen Blick«, erklärte der Parkwächter. »Aber den haben die meisten Leute.«
»Und wie steht’s bei mir?«, fragte Patsy Hampton.
»Nein. Na ja, vielleicht ein bisschen«, meinte der Parkwächter grinsend.
Shafer blieb fast zwei Stunden bei Dr. Cassady. Dann kam er herunter und fuhrt geradewegs zurück zu seinem Haus in Kalorama.
Patsy Hampton folgte ihm und observierte das Haus eine weitere halbe Stunde lang. Dann war sie ziemlich sicher, dass Shafer in dieser Nacht nichts mehr unternehmen würde. Sie fuhr zu einem kleinen Restaurant in der Nähe, ging jedoch nicht gleich hinein, sondern griff zu ihrem Handy, ehe sie es sich noch einmal überlegte. Sie kannte die Straße, an der Alex Cross wohnte, und bekam seine Telefonnummer von der Auskunft. War es zu spät, ihn anzurufen? Ach was, sagte sich Patsy. Jetzt ziehst du die Sache durch.
Sie war verblüfft, als schon nach dem ersten Klingeln abgehoben wurde. Sie hörte eine angenehme männliche Stimme.
Freundlich. Kraftvoll.
»Alex Cross.«
Beinahe hätte Patsy aufgelegt. Interessant, dass er sie einen Moment lang einschüchterte. »Hier ist Detective Patsy Hampton. Ich habe ein bisschen in den Jane-Namenlos-Fällen ermittelt und einen Mann beschattet. Einen Verdächtigen. Ich glaube, wir sollten uns mal unterhalten.«
»Wo sind Sie, Patsy?«, fragte Cross ohne Zögern. »Ich komme sofort. Sagen Sie mir nur, wohin.«
»Ich bin hier vor einem kleinen Restaurant. Das City Limits an der Connecticut Avenue.«
»Bin schon unterwegs«, sagte Cross.
I ch war nicht allzu überrascht, dass Pittman jemanden auf die Jane Namenlos angesetzt hatte. Besonders nach Zach Taylors Artikel in der »Washington Post«. Ich war an sämtlichen Hinweisen interessiert, die Detective Patsy Hampton gefunden haben konnte.
Ich hatte Patsy ein paar Mal gesehen, und sie wusste
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