Alex Cross 8 - Mauer des Schweigens
sollen. Es befinden sich zwei Herde nebeneinander. Immer steht eine große schwarze gusseiserne Pfanne auf dem Herd. Auch der Kühlschrank ist ein älteres Modell, aber Nana weigert sich, ihn gegen einen neuen auszutauschen. Er ist bedeckt von Notizen und Terminplänen unseres gemeinsamen Lebens: Damons Termine für den Chor und Basketball; Jannies »Termine«; meine und Sampsons Telefonnummern für Notfälle; ein Karte für Klein-Alex, auf denen die Termine für die Besuche beim Kinderarzt vermerkt sind; und ein Klebezettel mit Nanas neuestem weisen Ratschlag: Du wirst nie stolpern, wenn du kniest.
»Was denkst du, Alex?« Ich hörte das vertraute Schlurfen ihrer Hausschuhe. Ich drehte mich um. Da stand sie, Hände in die Hüften gestemmt, bereit, den Kampf aufzunehmen.
»Keine Ahnung. An die Geister vergangener Frühstücke.
Wie fühlst du dich, alte Frau?«, antwortete ich. »Sag schon, alles in Ordnung?«
Sie zwinkerte und nickte mit dem Köpfchen. »Mir geht’s glänzend. Wie steht’s mit dir? Du siehst müde aus. Harte Arbeit, das Haus in Ordnung zu halten, richtig?«, sagte sie und lachte. Dieser Klang gefiel ihr so, dass sie gleich noch mal lachte.
Ich ging durch die Küche und nahm sie hoch in meine Arme.
Sie war so leicht – keine fünfzig Kilo. »Lass mich runter!«, befahl sie. »Vorsichtig, Alex. Ich könnte auseinander brechen.«
»Dann erzähle mir mal von gestern. Machst du bei Dr. Rodman einen Termin? Selbstverständlich tust du das.«
»Ich hatte wohl nur ein bisschen mehr Schlaf nötig, das war alles. Das passiert den Besten von uns. Ich habe auf meinen Körper gehört. Tust du das auch?«
»Ja, tue ich«, erklärte ich. »Ich höre jetzt auf ihn, und er sagt mir, dass er sich große Sorgen um dich macht. Vereinbarst du einen Termin mit Dr. Rodman, oder muss ich das für dich tun?«
»Lass mich runter, Alex. Ich habe schon einen Termin beim Doktor Ende der Woche. Reine Routine. Nichts Ernstes. So, und wie willst du heute Morgen deine Eier?«
Um mir zu zeigen, wie gut sich Nana fühlte, forderte sie mich auf, mit Sampson wieder nach Fort Bragg zu fahren, um den Fall abzuschließen. Sie bestand darauf. Ich musste mindestens noch ein Mal nach Fort Bragg, aber nicht, ehe nicht meine Tante Tia hier war und bei Nana und den Kindern blieb.
Erst als ich ganz sicher war, dass alles unter Kontrolle war, machte ich mich auf den Weg nach North Carolina.
Auf der Fahrt erzählte ich Sampson, was mit Nana los war und auch jedes Detail meines Tages mit den Kindern.
»Sie ist zweiundachtzig, Alex«, sagte er. Dann fügte er hinzu: »Sie wird wohl höchstens noch zwanzig Jahre bei uns bleiben.« Wir lachten beide, aber ich spürte, dass John sich ebenfalls Sorgen um Nana machte. Wie er selbst zugab, war sie für ihn wie eine Mutter.
Endlich erreichten wir Fayetteville, North Carolina. Es war fünf Uhr nachmittags. Wir mussten mit einer Frau wegen des Alibis sprechen, dass eventuell Sergeant Cooper retten konnte.
24
Wir fuhren zu den Bragg Boulevard Estates, weniger als eine halbe Meile von Fort Bragg entfernt. Die Jets flogen immer noch nonstop über unseren Köpfen, und die Artillerie feuerte weiterhin.
In dieser Siedlung arbeitete praktisch jeder auf der Basis und lebte in den von der Regierung gestellten Wohnungen. Größe und Qualität der Unterbringung verbesserte sich dramatisch mit jedem Dienstgrad. Wir sahen hauptsächlich kleine eingeschossige Häuser. Etliche sahen so aus, als müssten sie dringend renoviert werden. Ich hatte irgendwo gelesen, dass über sechzig Prozent der gegenwärtigen Armeeangehörigen verheiratet waren und Kinder hatten. Die Statistik schien zu stimmen.
Sampson und ich gingen zu einem der Backsteinhäuschen, und ich klopfte an die ziemlich verkratzte Vordertür aus Aluminium. Eine Frau in einem schwarzen Seidenkimono erschien. Sie war füllig und attraktiv. Ich wusste bereits, dass sie Tori Sanders hieß. Hinter ihr sah ich vier kleine Kinder, die neugierig wissen wollten, wer an der Tür war.
»Ja? Was ist denn?« fragte sie. »Ich habe keine Zeit – Tierfütterung im Zoo.«
»Ich bin Detective Cross, und das ist Detective Sampson«, stellte ich uns vor. »Captain Jacobs hat uns gesagt, dass Sie mit Ellis Cooper befreundet sind.«
Sie reagierte nicht. Kein Wimpernschlag.
»Mrs. Sanders, Sie haben mich vor zwei Tagen im Hotel angerufen. Ich habe mir ausgerechnet, dass Ihr Haus in Gehweite von der Basis sein muss, wenn Sergeant Cooper Sie am Abend der Morde
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