Alex Cross 8 - Mauer des Schweigens
das.
Aber dann musste ich Jannie und Damon noch mal wecken. Ich stellte ihnen ihr Lieblingsmüsli hin und Obst, dann machte ich Rühreier – ich übertrieb, um sie für Nanas Abwesenheit zu entschädigen. Ich wärmte Alex’ Milch an, bereitete sein Frühstück zu und fütterte ihn.
Die Kinder marschierten in die Schule, und ich machte hinterher sauber. Dann wechselte ich zum zweiten Mal Alex’ Windeln und zog ihm einen Strampelanzug mit Feuerwehrautos an. Ihm gefiel es, dass ich ihm so viel Aufmerksamkeit schenkte. Er fand das prima.
»Gewöhne dich nicht daran, kleiner Kumpel«, sagte ich. Ich schaute nach Nana, sie schlief noch fest. Ich lauschte mehrere Minuten lang auf ihren Atem.
Ihr Schlafzimmer war so friedlich, aber keineswegs in Rosa gehalten, wie es für eine alte Dame gepasst hätte. Sie hatte einen leuchtend orange- und purpurfarbenen Flokati am Fußende des Betts. Sie behauptete, der Teppich verleihe ihr glückliche Füße.
Ich nahm Klein-Alex mit nach oben in mein Zimmer, wo ich hoffte, arbeiten zu können. Ich rief einen Freund im Pentagon an. Er hieß Kevin Cassidy. Wir hatten vor einigen Jahren gemeinsam einen Mordfall bearbeitet.
Ich berichtete ihm von der Situation in Fort Bragg und wie wenig Zeit Sergeant Cooper in der Todeszelle blieb. Kevin hörte mir aufmerksam zu, dann warnte er mich, extrem vorsichtig zu sein. »Es gibt in der Armee viele gute Menschen, Alex. Gute Menschen, mit guten Absichten und durch und durch ehrenhaft. Aber wir beseitigen gern selbst unsere Schweinereien. Außenstehende sind für gewöhnlich nicht willkommen. Du verstehst, was ich damit sagen will?«
»Ellis Cooper hat diese Morde nicht begangen«, erklärte ich ihm. »Da bin ich fast sicher. Ich werde deinen Rat beherzigen.
Aber uns läuft die Zeit davon, Kevin.«
»Ich überprüfe die Sache mal«, versprach er. »Aber lass mich das machen, Alex.«
Nachdem ich mit dem Pentagon telefoniert hatte, rief ich Ron Burns beim FBI an. Ich unterrichtete ihn, wie sich die Situation in Fort Bragg entwickelte. Der Direktor und ich waren uns während der Probleme mit Kyle Craig näher gekommen. Burns wollte, dass ich für das Büro arbeitete, und ich dachte ernsthaft darüber nach.
»Sie wissen doch, dass sich die örtliche Polizei oft wie Platzhirsche verhält«, sagte er. »Die Armee ist noch schlimmer, besonders wenn es sich um Mord handelt.«
»Selbst wenn einer der ihren unschuldig und fälschlicherweise angeklagt ist? Selbst wenn er hingerichtet werden soll? Ich dachte, die Armee würde nie einen ihrer Leute draußen einfach liegen und sterben lassen.«
»Wenn sie ihn für unschuldig hielten, wäre der Fall nie vor Gericht gekommen, Alex. Wenn ich helfen kann, werde ich es tun. Halten Sie mich auf dem Laufenden. Ich verspreche nichts, was ich nicht halten kann.«
»Ich bin Ihnen wirklich sehr dankbar«, sagte ich.
Nachdem meine Anrufe erledigt waren, brachte ich Klein-Alex wieder nach unten und gab ihm noch etwas Milch. Langsam dämmerte mir, wie viel Arbeit jeden Tag nötig war, wie viele Stunden, um die Hausarbeit zu erledigen. Und bis jetzt hatte ich noch nichts geputzt oder aufgeräumt.
Ich sah noch mal nach Nana.
Vorsichtig öffnete ich die Tür. Ich konnte nichts hören.
Ich ging näher ans Bett.
Schließlich hörte ich sie atmen. Zum ersten Mal, so weit ich mich erinnern konnte, hatte ich Angst um Nana. Sie war nie krank gewesen.
23
Nana stand gegen Mittag auf. Sie schlurfte in die Küche, in der Hand ein dickes neues Buch, The Bondwoman’s Narrative , Hannah Craft’s Geschichte einer Sklavin. Ich hatte warmes Mittagessen für sie und Klein-Alex fertig.
Sie wollte nicht darüber reden, wie sie sich fühlte, und aß wie ein Spatz, nur ein paar Löffel Gemüsesuppe. Ich redete auf sie ein, zu Dr. Rodman zu gehen, aber sie wollte davon nichts hören. Aber sie ließ mich die restlichen Mahlzeiten zubereiten, für die Kinder sorgen und das Haus – laut ihren klaren Direktiven – von oben bis unten sauber machen.
Am nächsten Morgen war ich schon wieder vor Nana auf den Beinen. Zwei Tage hintereinander. Das war in all unseren gemeinsamen Jahren noch nie vorgekommen.
Während ich darauf wartete, dass sie in die Küche kam, nahm ich den vertrauten Anblick in mich auf. Das heißt, ich schaute mir alles ganz bewusst an.
Dominiert wird die Küche von ihrem alten Caloric-Gasherd.
Er hat vier Brenner und eine Arbeitsplatte, auf der sie Gerichte abstellt, die abkühlen oder gleich gekocht werden
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