Alex Cross 8 - Mauer des Schweigens
wollen. Meine nächste Besprechung ist erst um zehn. Das gibt uns zwanzig Minuten, um zu reden, aber wenn nötig, kann ich Ihnen auch mehr Zeit lassen. Die Armee hat in dieser Sache nichts zu verbergen. Das kann ich Ihnen jetzt schon sagen.«
Sampson hielt immer noch Borislows Blick fest. »Detective Cross und ich haben Hunderte von Tatorten bearbeitet, General. Bei diesem stören uns einige Dinge.«
»Und spezifisch was?«
Sampson zögerte, ehe er fortfuhr. »Ehe ich darauf eingehe, was uns stört, wüsste ich gern, ob Sie etwas in Bezug auf den Prozess oder die Ermittlungen gestört hat?«
General Shelly Borislow hatte sich vollkommen unter Kontrolle. »Ja, ein paar Punkte. Ich nehme an, man könnte es als ein bisschen zu passend ansehen, dass Sergeant Cooper die Tatwaffe bei sich behielt. Andererseits ist das Messer ein wertvolles Souvenir aus seiner Dienstzeit in Vietnam. Und ein Souvenir von den Morden.«
»Sind Sie darüber unterrichtet, dass ein oder zwei Tage vor den Morden in Sergeant Coopers Haus eingebrochen wurde?
Wie haben die Spuren des Einbruchs selbst gesehen, und Cooper hat es bestätigt. Dabei könnte das Messer gestohlen worden sein«, sagte Sampson.
Borislow nickte. »Durchaus möglich, Detective. Aber ist es nicht ebenso möglich, dass der Sergeant den Eindruck eines Einbruchs in seinem Haus selbst geschaffen hat? Diesen Schluss hat der CID gezogen.«
»Ein Junge aus der Nachbarschaft sah drei Männer in Tanya Jacksons Garten – und zwar zur Tatzeit.«
»Der Junge mag drei Männer im Garten gesehen haben.
Stimmt. Aber er könnte auch Schatten von den Bäumen gesehen haben. Es war ein dunkler Abend und windig. Der Junge ist zehn Jahre alt. Er hat der Polizei gegenüber widersprüchliche Aussagen gemacht. Wie ich bereits sagte, Detective, ich habe den Fall genauestens studiert.«
»Blut, das nicht von den ermordeten Frauen stammte, auch nicht von Sergeant Cooper, wurde am Tatort sichergestellt.«
General Borislows Haltung änderte sich nicht. »Der Richter ließ das nicht als Beweismittel zu. Wäre ich Richter gewesen, hätte ich zugelassen, dass die Geschworenen von dem Blut hören. Aber jetzt werden wir nie davon erfahren.«
»Sergeant Coopers Personalakte in der Armee war bis zu den Morden nahezu makellos«, sagte Sampson.
»Ja, seine Führung war hervorragend. Dessen ist sich die Armee bewusst. Das ist ein Punkt, der diesen Fall so tragisch macht.«
Sampson seufzte. Er spürte, dass er keinen Schritt weiter kam. Ich ebenfalls. »General, nur noch eine Frage, dann gehen wir. Wir wollen nicht mehr, als die uns zugeteilte Zeit beanspruchen.«
Borislow zuckte nicht mit der Wimper. »Nur zu, stellen Sie die Frage.«
»Es ist mir ein Rätsel, dass die Armee sich nicht wirklich Mühe gegeben hat, Sergeant Cooper zu verteidigen. Weder vor dem Prozess noch danach. Offensichtlich wird die Armee ihm auch jetzt nicht helfen. Warum?«
General Borislow nickte bei der Frage und schürzte die Lippen, ehe sie antwortete. »Detective Sampson, wir wissen die Tatsache zu schätzen, dass Sergeant Cooper Ihr Freund ist und dass sie ihm loyal ergeben sind. Wir bewundern das sogar, ehrlich. Aber Ihre Frage ist leicht zu beantworten. Die Armee, von der Spitze bis zum letzten Mann, ist überzeugt, dass Sergeant Cooper kaltblütig drei grauenvolle Morde begangen hat. Wir haben nicht die Absicht, zu helfen, dass der Mörder ungeschoren davonkommt. Ich fürchte, auch ich bin überzeugt, dass Sergeant Cooper ein Mörder ist. Ich werde eine Berufung nicht unterstützen. Es tut mir Leid, dass ich keinen besseren Bescheid für Sie habe.«
Nach unserem Treffen brachte uns General Borislows Adjutant zurück durch das Labyrinth der Korridore. Auf dem langen Marsch zur Eingangshalle blieben wir beide schweigsam.
Sobald wir das Gebäude verlassen hatten und im Freien standen, wandte John sich mir zu. »Und, was denkst du?«
»Ich glaube, die Armee verheimlicht etwas«, antwortete ich.
»Und uns bleibt nicht mehr viel Zeit, herauszufinden, was das ist.«
29
Am folgenden Morgen bekam Thomas Starkey ein klares Bild, wie weit es mit ihm gekommen war. Der Moment der Wahrheit traf ihn weniger als zwei Meilen von seinem Haus in North Carolina entfernt.
Er hatte beim Einkaufszentrum die USA Today und Rocky Mountain Telegram gekauft, dazu in einem Delikatessengeschäft, im New Yorker Stil, noch Zimt-Bagels mit Rosinen. An diesem Morgen goss es in Strömen. Er stand mit den Zeitungen und den warmen Bagels unter dem
Weitere Kostenlose Bücher